Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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D A S E R B E<br />
Die Ankündigung des Eshatons war der Startschuss für viele,<br />
zu ihren Wurzeln zurückzukehren, um <strong>mit</strong> Eltern, Freunden<br />
und Brüdern dem Unvermeidlichen zu begegnen. So wälzten<br />
sich endlose Blechkolonnen von Deutschland Richtung Heimat:<br />
Türken, Serben, Griechen, Magyar, Ungarn, Rumänen,<br />
Russen und viele weitere Volksgruppen donnerten über die<br />
Autobahnen gen Süden. Chaos und Faustrecht herrschten auf<br />
den Straßen, das nahe Ende und die Gewissheit um den Zusammenbruch<br />
der Ordnung entzündete eine Lunte des Hasses,<br />
die vor langer Zeit gelegt wurde, und sie brannte schneller ab,<br />
als man befürchtet hatte.<br />
Es war eine Bombe, die jeden Moment in die Luft gehen<br />
konnte. Die Menschen brauchten ein Ventil, einen gemeinsamen<br />
Feind, dem man die Rolle des Sündenbocks aufbürden<br />
konnte. Niemand kann heute mehr sagen, wer da<strong>mit</strong> angefangen<br />
hatte, die jahrhundertelange Besetzung der Heimat<br />
durch das Osmanische Reich aus den staubigen Tiefen der<br />
Geschichte hervorzukramen. Noch Wochen zuvor hätte man<br />
diese Irren <strong>mit</strong> ihren Tiraden in das Loch zurückgestoßen, aus<br />
dem sie gekrochen kamen. Doch jetzt fanatisierte eine hasserfüllte<br />
Minderheit ein ganzes Volk. Die Erzählungen gewannen<br />
an Pathos und griffen, <strong>mit</strong> Falschmeldungen gewürzt, auch auf<br />
die Gemäßigteren über. Die Stimmung den Osmanen gegenüber<br />
war auf einem Tiefpunkt – das Opfer waren die Türken.<br />
Eine kleine Flamme schon und die explosive Lage würde eskalieren.<br />
Und sie sollte eskalieren.<br />
Erst verwehrte man den türkischen Flüchtlingen das Benzin,<br />
dann Essen und Unterkunft, schließlich stieß man ihre<br />
Fahrzeuge in den Graben und verging sich an ihrem Besitz.<br />
Zwar stellten sich viele der aufgestachelten Masse in den<br />
Weg, gemahnten Vernunft und predigten Frieden. Doch sie<br />
alle ersoffen in der sich auftürmenden Welle der Gewalt. Die<br />
UEO-Truppen waren machtlos. Sie waren darauf vorbereitet,<br />
punktuell an Krisenherden die Ordnung zu wahren und Konflikte<br />
zu deeskalieren. Doch auf dem Balkan herrschten schon<br />
damals andere Gesetze. Als hätte sich der Benzindunst über<br />
dem Land in einer gewaltigen, infernalischen Stichflamme<br />
entladen, ergingen sich die Balkanvölker in ihrem vergessen<br />
geglaubten, jetzt wieder auflebendem Zorn. Was als pöbelhafte<br />
Anarchie gegen die türkischen Durchreisenden begann, gipfelte<br />
in einem Bürgerkrieg. Dieser erste Massenwahn läutete<br />
den Zusammenschluss der Balkanvölker ein, die ehemals unter<br />
dem Osmanischen Reich gelitten hatten.<br />
Man sah sich fortan nicht mehr als Serbe, Rumäne, Grieche<br />
oder Magyar, sondern als Balkhaner. Angestachelt von den Parolen<br />
der geifernden Antreiber und berauscht von den ersten<br />
Siegen drängte das neue Volk im Jahre 2072 unter der Führung<br />
des gewieften Demagogen Ezkiel über den Bosporus, nahm<br />
die Türkei im Sturm. <strong>Das</strong> große Schlachten hatte begonnen<br />
– die Verluste auf beiden <strong>Seiten</strong> waren unaussprechlich, die<br />
Welt hielt den Atem an und wendete schließlich den Blick ab.<br />
Man schien zu ahnen, dass das Geschehen im nahen Osten<br />
nur ein Vorgeschmack auf das war, dem man sich nach dem<br />
Eshaton selber zu stellen hätte.<br />
Die Türkei als Staat war in eine Totenstarre gefallen. Niemand<br />
hatte in den moralisch und ethisch fortschrittlichen<br />
2070er Jahren <strong>mit</strong> einer solchen Entwicklung gerechnet, geschweige<br />
denn war man darauf vorbereitet. Die Bevölkerung<br />
kämpfte um ihr Überleben und zog sich in die Berge zurück.<br />
Plünderer fielen über die uralten, kulturträchtigen Stätten her<br />
und vernichteten das Erbe der Menschheit. Für die Türkei<br />
hatte der Weltenbrand längst begonnen.<br />
Als das Eshaton im Frühjahr 2073 die Erde erschütterte,<br />
hatte Homo Sapiens bereits bewiesen, wozu er fähig war. Es<br />
war erst der Anfang.<br />
D A S B A L K H A N I S C H E<br />
G R O S S R E I C H<br />
Jahrzehnte später: Skrupellose Landesfürsten hatten sich an<br />
die Macht gemordet und herrschten über riesige Landstriche<br />
und ihre Bevölkerung – sich selber nannten sie nach altem<br />
Vorbild Voivoden, ihre Herrschaftsgebiete Voivodate. Aus<br />
Bauern ließen sie im Feuer des Wahns Soldaten schmieden.<br />
Gleichzeitig tauchten die ersten Jehammedaner auf und predigten<br />
einen neuen Weg des Glaubens. Die Voivodate Bukarest<br />
und Beograd dominierten das Geschehen und vernichteten<br />
jeglichen Widerstand, nur um sich schließlich selbst gegenüber<br />
zu stehen. Statt sich in Kämpfen auszubluten und den Wölfen<br />
um sie herum eine leichte Beute zu werden, verbündeten<br />
sie sich und riefen das balkhanische Großreich aus. Es sollte<br />
keine zehn Jahre halten. Was zehn Jahre länger war, als jeder<br />
gemutmaßt hatte.<br />
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