Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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304<br />
Krankendaten und Kontoverbindungen beschweren sich nur<br />
noch die Ewig-Gestrigen, Permanent-Hippies, Technikresistenten<br />
und Totalverweigerer – Subgruppen in einer ausufernden<br />
Gesellschaft, <strong>mit</strong> zwar kreischender und orakelnder<br />
Stimme, aber ohne jegliches Gewicht.<br />
2055: AIDS ist theoretisch besiegt. Ein von der WHO ausgearbeiteter<br />
Plan sieht vor, die Welt in den nächsten zwanzig<br />
Jahren von der Seuche zu befreien. Erste Verteilungszentren in<br />
Nigeria und Indien werden <strong>mit</strong> Serum und Impfstoff beliefert.<br />
Millionen Menschen machen sich auf den Weg. Die befürchtete<br />
humanitäre Katastrophe bleibt aus, die Völkerwanderungen<br />
sind eingeplant und werden durch UAO-Truppen überwacht.<br />
General Heshimu, ein Bantu aus Tansania, ist der Mann der<br />
Stunde: Mit dem vom ihm ausgearbeiteten Krisenplan stärkt<br />
er das Selbstvertrauen seiner Truppe und verdient sich den<br />
Respekt des Auslandes.<br />
2057: <strong>Das</strong> Jahr der Sekten. Als gäbe es noch nicht genug<br />
Esoterik-Schrund zwischen den vermeintlich uralten Templerorden<br />
<strong>mit</strong> ihren hermetischen Traditionen, der New- und Old-<br />
Age-Bewegungen und den technophilen Streamer-Auswüchsen,<br />
kämpfen im angehenden transhumanen Zeitalter gleich<br />
zwei Eso-Schranzen um Anhänger. In der einen Ringecke der<br />
selbsternannte Messias Jehammed <strong>mit</strong> seinem Gemisch aller<br />
drei Buchreligionen; gegenüber der ebenso charismatische wie<br />
dogmatische Televangelist Gerome Getrell. Die erste Runde<br />
ist eingeläutet.<br />
2064: Dem schwarzen Kontinent ist kein Frieden vergönnt.<br />
An der Elfenbeinküste sterben Seeleute eines amerikanischen<br />
Kreuzers an einem bislang unbekannten Virus. Die seltsame<br />
Krankheit breitet sich rasant aus und hat bald ganz Abidjan in<br />
ihrem eisigen Griff. Schwarze Flaggen wehen über der Millionenstadt.<br />
Eilig herbeibeorderte UAO-Truppen bauen einen<br />
Sperrgürtel auf, scheitern jedoch an den aus der Stadt herausquellenden<br />
Menschenmassen. Gegen Mitte des Jahres werden<br />
die ersten Krankheitsfälle in Burkina Faso und Yamoussoukro<br />
gemeldet, keine drei Wochen nach dem schicksalhaften Anlanden<br />
der Amerikaner. <strong>Das</strong> Virus breitet sich unkontrollierbar<br />
aus.<br />
Viele Afrikaner halten die neue Seuche für ein Geschenk<br />
der USA, um das große afrikanische Volk nach dem Sieg über<br />
AIDS wieder zu schwächen. Als im August 2064 das Institut<br />
Pasteur in Paris bekannt gibt, dass es sich bei der mysteriösen<br />
Seemannskrankheit um einen neuartigen und äußerst aggressiven<br />
AIDS-Stamm handelt, ist dies Wasser auf die Mühlen der<br />
Antiamerikanisten. In vielen Ländern Zentralafrikas werden<br />
amerikanische Botschaften gestürmt und geplündert. General<br />
Heshimu entsendet UAO-Truppen, um Aufstände zu deeskalieren,<br />
befiehlt aber ausdrücklich, den eigenen Landsleuten<br />
keine Gewalt zuzufügen. Als amerikanische Marines der Fregatte<br />
Washington anlanden wollen, um den Rückzug der Botschaftsangestellten<br />
zu sichern, verwehrt er ihnen die Passage<br />
und setzt sie unter Quarantäne. Die Großmacht ist brüskiert.<br />
2065: HIV-E, das Virus von der Elfenbeinküste, hat einem<br />
Flächenbrand gleich den ganzen Kontinent erfasst. Es verbreitet<br />
sich über die Luft, was den niesenden Typen neben dir in<br />
der Straßenbahn zum Massenmörder machen kann. Klimaanlagen<br />
gelten als Infektionsherde und werden in weiten Teilen<br />
des Landes ausgeschaltet, kaum ein aufgeklärter Afrikaner<br />
wagt sich noch ohne Mundschutz in die Öffentlichkeit. In den<br />
Straßen von Nairobi glaubt man sich in einem stadtumspannenden<br />
Neo-Rave, nur ohne das Wummern der Musik – die<br />
Menschen verbergen jeden Zentimeter Haut unter Gasmasken<br />
und Schutzanzügen in Warnfarben. Die sonst so emotionalen<br />
und gastfreundlichen Kenianer sind zurückhaltend, man beschränkt<br />
sich in diesen Tagen auf den Kontakt zur Familie und<br />
meidet Fremde.<br />
2066: Die Recombination Group hat den heiligen Gral der<br />
Medizin entdeckt, zumindest versuchen einige europäische<br />
Nachrichtenblätter <strong>mit</strong> dieser Meldung ihre Auflage zu steigern.<br />
Doch sie könnten Recht da<strong>mit</strong> haben. Die Presseabteilung<br />
der RG lässt leise verlauten, dass sich erste Erfolge bei der<br />
Bekämpfung von HIV-E abzeichneten und in Bälde <strong>mit</strong> einem<br />
Serum zu rechnen sei. Während die vor der Seuche fliehenden<br />
Völkermassen in den Wochen zuvor noch auf chaotischen<br />
Bahnen durch den Kontinent kreuzten, bemerkt man nun eine<br />
tendenzielle Ausrichtung nach Norden hin. Agadez, eine Stadt<br />
im zentralafrikanischen Niger, die schon in früherer Zeit ein<br />
wichtiger Zwischenstopp für die auf der Nord-Süd-Achse verkehrenden<br />
Karawanen war, bläht sich in wenigen Monaten zu<br />
einer Millionenstadt auf, die jeden Moment kollabieren kann.<br />
Und der Flüchtlingsstrom nimmt nicht ab.<br />
Einen Ausweg in den Norden gibt es nicht, Algerien und<br />
Libyen halten ihre Grenzen geschlossen, und gehen rigoros<br />
gegen illegale Einwanderer vor. Die von General Heshimu<br />
oft beschworene Einheit des Kontinents stirbt <strong>mit</strong> jedem erschossenen,<br />
in der Sahara verdorrenden Flüchtling ein wenig<br />
mehr, bis schließlich nichts weiter bleibt als um ihr Überleben<br />
kämpfende Familien.<br />
2067: Algerien ist gefallen. Hunderttausende durchbrechen<br />
die Minengürtel, Stacheldrahtverhaue und Patrouillenlinien.<br />
Die Regierung ist machtlos, die UAO überfordert. Libyen<br />
erbittet die Hilfe der UEO und bekommt sie gewährt. Aus<br />
gutem Grund: Ziel der Flüchtlinge ist Europa, welches der<br />
Ansicht vieler Afrikaner nach ein Heil<strong>mit</strong>tel für HIV-E besitzt<br />
– ein Überspringen der Seuche auf den europäischen Kontinent<br />
muss auf jeden Fall vermieden werden, und die Anfrage<br />
der Libyer kommt gerade recht. Ein beeindruckendes Flottenaufgebot<br />
wird daraufhin im Mittelmeer zusammengezogen<br />
und bereitet sich auf eine ungleiche Schlacht gegen Flöße und<br />
nur durch schiere Verzweiflung zusammengehaltene Seelenverkäufer<br />
vor. Hafenstädte werden besetzt und zu Festungen<br />
ausgebaut. Der Handel <strong>mit</strong> den Europäern gerät für die Libyer<br />
zu einem Pakt <strong>mit</strong> dem Teufel.<br />
2068: Sind denn alle Entwicklungsgelder in Waffengeschäfte<br />
geflossen? Vier von fünf Flüchtlingen nennen eine Kalaschnikow<br />
ihr eigen und sind Willens, diese auch einzusetzen. Was<br />
als Blockade begann, eskaliert zu einem Krieg ohne klare Ziele<br />
– dem Afrika-Konflikt.<br />
Die Sichtung von Boatpeople an den Küsten der iberischen<br />
Halbinsel und Sizilien führt unter der Bevölkerung zu Paranoia<br />
gepaart <strong>mit</strong> Fremdenhass – einer gefährlichen Mischung<br />
in einer vor wenigen Tagen noch als aufgeklärt und tolerant<br />
geltenden Gesellschaft. Farbige werden ausgegrenzt, gelten als<br />
potenzielle Seuchenträger.<br />
2069: Der Konflikt ist außer Kontrolle geraten. Tausende<br />
versinken in den Fluten des Mittelmeers, Tausende sterben im<br />
Kugelhagel der verängstigten und nervösen UEO-Truppen.<br />
AMSUMOs, für den Polizeieinsatz konstruierte, zweibeinige<br />
autonome Robot-Systeme, werden erstmals in Kampf-Einsätze<br />
geschickt. Man erhofft sich durch deren stählerne Präsenz<br />
eine gewisse Abschreckung, doch man erahnt nicht die bloße<br />
Verzweiflung der Flüchtlinge.<br />
2070: Ein OWL (Overwhelmingly Large Telescope) in Peru<br />
registriert mehrere unverzeichnete Asteroiden, die sich <strong>mit</strong>