Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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an den Ort zurück gekehrt, an dem einst alles begonnen hatte.<br />
Die Wälder an den Berghängen, die die Wiedertäufer damals<br />
abgeholzt hatten, hatten sich erholt und waren jetzt weiß<br />
eingepudert. Dort oben an den Flanken sah er die wuchtigen<br />
Bauten, in denen die Obersten des Dorfs residierten. Aber die<br />
Fensteröffnungen waren nicht hell erleuchtet vom flackernden<br />
Schein der Pechfackeln, auch der Weg nach oben war ein unberührtes<br />
Schneebrett. Angst packte sein Herz. Jader deutete<br />
in die Talsenke, aber Nik hatte die drei Lagerfeuer in<strong>mit</strong>ten der<br />
verwüsteten Hütten längst bemerkt.<br />
„Ihr bleibt hier“ zischte er und gab seinem Pferd die Sporen.<br />
Er trieb seinen Rappen unbarmherzig voran, als ginge es in die<br />
letzte Schlacht, spürte das Beben des dampfenden Leibes unter<br />
sich. Es saßen Gestalten an den Feuern, und sie standen auf,<br />
als sie ihn wie einen der apokalyptischen Reiter heranstürmen<br />
sahen. Nik sprang ab, riss sein reifbeschlagenes Stahlschwert<br />
vom Sattel und taumelte auf die erschrockenen Männer und<br />
Frauen zu. Es konnte nicht wahr sein. Er kannte sie alle. Ihre<br />
Namen hatte er vergessen, wie er auch sein altes Leben vergessen<br />
hatte. Jetzt kehrte die Erinnerung <strong>mit</strong> der Wucht einer<br />
Flutwelle zurück, ließ ihn straucheln. Da stand Dona, <strong>mit</strong> der<br />
er zusammen die Felder bestellt hatte. Ein kleines Kind hielt<br />
sich hinter ihrem Rock verborgen. Dann Jannek und Thaleb,<br />
die Brüder von nebenan, die ihn einmal in einen hohlen Baum<br />
gesteckt hatten. Und Iuna, die Tochter der Seherin. Da waren<br />
noch andere, doch sie hielten sich außerhalb des Feuerscheins<br />
auf. Für einen Moment fühlte sich Nik zuhause, am Ziel. Die<br />
ewige Suche nach verzehrenden Emotionen hatte ihn von diesem<br />
Ort und seiner großen Liebe fortgelockt. Was für ein Narr<br />
er gewesen war. Jetzt konnte alles wieder gut werden.<br />
„Meister, was wollt ihr?“<br />
Nik erstarrte. <strong>Das</strong> Gefühl der Geborgenheit machte einer<br />
dumpfen Leere Platz. Sie erkannten ihn nicht. Auch sie hatten<br />
sich verändert. Ihre Augen waren gerötet, ihre Haut fleckig.<br />
Ihre Kleidung konnte man nicht einmal mehr als Lumpen<br />
bezeichnen. Einige stützten sich auf knorrige Äste. Alt und<br />
schwach sahen sie aus. Die Kleine fing an zu weinen. Er schaute<br />
sich um: Die alten Korb-Hütten waren fort, der Brunnen<br />
eingestürzt. Schlammige Trampelpfade führten zu den Ruinen<br />
und den Höhlen hinauf.<br />
Tränen rannen seine Wangen hinab.<br />
„Kennt ihr eine Nebe?“ Jedes Wort war eine Qual.<br />
Dona spuckte aus und rieb sich die aufgequollene Nase.<br />
„Verdammte Hure. Hat <strong>mit</strong> jedem hier rumgemacht.“<br />
„Dona, du kannst ihr nicht die Schuld geben.“ Ein Mann<br />
trat aus den Schatten und berührte die Frau beruhigend am<br />
Arm, doch diese schlug seine Hand weg.<br />
„Lass mich in Ruhe! Du bist doch auch einer von denen, die<br />
ihrem Liebreiz erlegen waren.“<br />
„Frau!“ Die Stimme des Mannes war so hart, wie die Stimme<br />
eines Betrunkenen sein konnte. „Sie suchte nur Trost. Erst im<br />
Schnapps,“ er blickte Nik an „dann bei anderen Männern.“<br />
Übelkeit wallte in Nik auf, doch er blickte nicht weg. Diesmal<br />
nicht.<br />
„Seid ihr einer ihrer Freier, Meister?“<br />
„Nein, kein Freier.“ sagte er seltsam sanft. Sein Gegenüber<br />
hatte es nicht bemerkt.<br />
„Was wollt ihr dann von ihr?“<br />
Nik ignorierte ihn. „Wo ist sie jetzt?“<br />
Dona grinste ein Totenkopfgrinsen. „Entehrten gestatten<br />
wir kein Begräbnis. Ihr könnt in den Fuchsbauten nach ihren<br />
Knochen suchen.“<br />
Die Zeit schien stillzustehen. Da war nur dieses feiste Grinsen,<br />
das danach schrie, von seinem Schwert zerteilt zu werden.<br />
Und der kühle Stahl entglitt seinen Fingern. Fast lautlos sank<br />
er in den Schnee.<br />
„Warum?“ Nik hauchte es nur, doch die Vettel schien alles<br />
<strong>mit</strong>zubekommen. Er kannte die Antwort. Hören wollte er sie<br />
nicht.