Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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Seine Worte gingen im Tumult unter, aber Stauffer hatte ihn<br />
verstanden, das sah er an dessen Blick. Wie eine verwitterte<br />
Statue stand der alte Orgiast in<strong>mit</strong>ten seiner aufgeregten<br />
Kämpfer, die nur darauf warteten, dass der Standartenträger<br />
voranpreschte.<br />
Sie stürmten den Hang hinab. Für einen Moment waren dort<br />
nur aufspritzender Schlamm, angespannte Gesichter, Waffengeklirr,<br />
das Stampfen der Füße, gehetzter Atem. Nik spürte<br />
die Angst in ihm, während er allen voran rannte. Für einen<br />
Moment war er alleine, hatte seine Rotte hinter sich gelassen.<br />
<strong>Das</strong> Gewicht des Schwerts in seiner Hand, der würzige Duft<br />
des nassen Grases – alle Farben wirkten intensiver, die Gerüche<br />
um ihn herum strömten direkt in sein Hirn. Er begrüßte<br />
die Furcht als guten Freund, der seinen Blick klärte und seine<br />
Muskeln stählte. Dann hatten die anderen aufgeschlossen,<br />
schnaufend und schwitzend, <strong>mit</strong> erregten Gesichtern, und <strong>mit</strong><br />
ihnen war der Augenblick der Einsamkeit auf dem Schlachtfeld<br />
einem unglaublichen Gefühl der Zusammengehörigkeit<br />
gewichen. Wie eine Herde stoben sie dem Feind entgegen, um<br />
ihn unter ihren Hufen zu zermalmen. Ihr aller Herz schlug im<br />
Gleichtakt.<br />
Die West- und Ostflanke der Wiedertäufer hatte das Heer<br />
des Voivoden in der Mitte zerrissen und die Stauffer-Rotte<br />
preschte in diese Bresche vor, als habe sich ein Meer aus<br />
wimmelnden Speeren vor ihnen geteilt. Den Hügel hinab, über<br />
zerhackte Leichen und blutgetränkten Boden den Feldherrenhügel<br />
hinauf. Dort oben wartete die Garde des Voivoden,<br />
schwarze Scherenschnittgestalten vor sturmgeplagtem, aber<br />
blauem Himmel. Keine zwanzig Atemzüge trennte die Stauffer-Rotte<br />
noch von ihrem Kampf. Noch fünfzehn! Sie hechelten,<br />
hatten die Distanz falsch eingeschätzt. Und den Gegner.<br />
Die Voivoden-Garde, allesamt bärtige Riesen <strong>mit</strong> schwarzen<br />
Brustpanzern und wehenden schwarzen Röcken hatten ihre<br />
Gewehre angelegt. Dann krümmten sich die Finger.<br />
Dutzendfaches Krachen; die Wiedertäufer rannten in ein<br />
Lichtgewitter. Dumpf schlugen die Kugeln in ihre Leiber ein,<br />
rissen sie herum oder schleuderten sie zu Boden, wo sie von<br />
den nachstürmenden Kameraden in den Schlamm getrampelt<br />
wurden. Doch jetzt konnte sie nichts mehr stoppen außer der<br />
Tod. Schreiend rannten sie, kümmerten sich nicht um Freunde<br />
an ihrer Seite. Keine Umkehr. Sieg oder Niedergang. Der<br />
Schwung des Ansturms riss die erste Reihe der Verteidiger<br />
nieder. Schwerter fuhren in die Höhe, um in einer endgültigen<br />
Abwärtsbewegung Fleisch und Sehnen zu zerschneiden und<br />
Knochen krachen zu lassen. Nik war unter den Ersten, die<br />
die Anhöhe erreichten. Er keuchte vor Anstrengung, doch er<br />
fühlte sich seltsam lebendig. Alles schien so klar. Selbst der<br />
Himmel war blauer als sonst; die Standarte knatterte aufgeregt<br />
über ihm. Zwei der Balkhaner schienen so nahe, dass er<br />
den Schweiß sehen konnte, wie er sich aus den Poren ihrer<br />
Haut drückte. Den ersten rammte er <strong>mit</strong> der linken Schulter<br />
nieder und stieß <strong>mit</strong> dem Schwert nach. Heiß fuhr das Blut<br />
über seine Hände, als er die Klinge herausriss und in einem<br />
weiten Bogen gegen den zweiten Balkhaner schwang, gerade<br />
in dem Moment, als dieser <strong>mit</strong> seinem Sturmgewehr feuern<br />
wollte. Die Waffe verzog in den Himmel, knatterte Feuerstoß<br />
um Feuerstoß in die Luft, entglitt dann den leblosen Händen<br />
ihres Besitzers. Nik war schon weiter. Die Wiedertäufer waren<br />
wie tollwütige Wölfe in einem Rudel Schafe, schlugen und zerrissen<br />
ihre Gegner, labten sich am Blut und an der Qual. Und<br />
merkten nicht, dass Kamerad um Kamerad zusammenbrach.<br />
Blutrausch. Kein Zeitempfinden. Rasendes Herz, schmerzhaftes<br />
Pochen.<br />
Nik glitt in die Realität zurück, die Schreie der Kämpfenden<br />
und Sterbenden drangen wie durch dicken Filz in sein<br />
Bewusstsein, quälten dort. Sein Schwert war zerbrochen, der<br />
Arm schmerzte vor Anstrengung. Balkhaner und Wiedertäufer<br />
lagen verrenkt über- und nebeneinander. Gebrochene Augen<br />
starrten ihn an. Was für ein sinnloses Schlachten. Sollte das alles<br />
sein? <strong>Das</strong> Leben für den glorreichen Augenblick der Gefahr<br />
und des Siegs? Ja, fügte er nüchtern hinzu.<br />
„Jebacu te!“ Worte wie ausgespuckt, böse und schmerzhaft.<br />
Einer Alptraumgestalt gleich schritt der Voivode über die Leichen,<br />
sein Körper dampfend von frischem Blut. Eine kleine<br />
gemeine Schusswaffe richtete er auf Nik, drückte ab. Nichts<br />
passierte. Und Nik stürmte vor, rutschte auf dem glitschigen<br />
Boden aus, stieß gegen den Voivoden, riss ihn <strong>mit</strong> zu Boden.<br />
Die Pistole klatschte keinen Schritt entfernt in den Schlamm.<br />
Nik steckte einen Fausthieb ein, rammte als Antwort seinen<br />
Ellenbogen in die Gegend, in der er das Gesicht seines Gegners<br />
vermutete. Er spürte Widerstand, hörte ein ersticktes<br />
Keuchen, da hatte er schon das kalte Metall ertastet. Die<br />
Pistole war so absurd klein für die in ihr vereinte Gewalt; Nik<br />
setzte sie an den Kopf seines Gegners, an diese Fratze zwischen<br />
Ersticken und Unglauben. Der Voivode wollte ihn noch<br />
anspucken. Diesmal hatte die Pistole keine Ladehemmung.<br />
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