Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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wieder an der Front als Anführer einer Rotte. Mit den Fingern<br />
kämmte er sein schmutziggraues Haar zurück – wie in alten<br />
Tagen. Die drei Punkte auf seiner Stirn kribbelten. Es war<br />
Krieg. Dann stand er auf.<br />
„Kommt raus, der Alte hat uns gesehen.“ Die Stimme war<br />
ein wenig zu hoch, um angenehm zu sein. Sie gehörte zu einem<br />
Hünen von einem Mann, der auf den Kartoffelacker schritt<br />
und sich die Kletten und Flechten von seinem <strong>mit</strong> schwarzem<br />
Fell besetzten Mantel zupfte. Er trug keinen Rucksack und<br />
kein Essgeschirr, das fiel Nik sofort auf. Er musste seine Sachen<br />
im Wald abgelegt haben. Ein schlechtes Zeichen.<br />
Keine zehn Schritt entfernt brach ein weiterer Fremder aus<br />
dem Unterholz, ganz in das matte Neopren eines Spitaliers<br />
gekleidet. Sein Gesicht verbarg er hinter einer Gasmaske <strong>mit</strong><br />
zerbrochenen Gläsern. Ein Arzt war es jedoch nicht: Lange,<br />
schwarze Haarsträhnen umwucherten die Halteriemen der<br />
Maske und hingen fettig herab. Zu unhygienisch. Wie eine räudige<br />
Ratte sah er aus. Eine bewaffnete Ratte <strong>mit</strong> einem Stilett<br />
in jeder Hand.<br />
Wo war der dritte?<br />
Nik blickte sich zu Arden um, wollte noch ihren Namen<br />
brüllen, als er den Schrotter <strong>mit</strong> wehenden Lumpen von hinten<br />
an sie heranstürmen sah, da ging sie schon zu Boden. Sie<br />
schrie nicht. Schreien bedeutete Tod. Sie keuchte nur kurz, als<br />
ihr beim Sturz die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Ihr<br />
Gesicht war voller Erde, sie hustete und spuckte einen großen<br />
Brocken aus. Angstvoll blickte sie Nik an, dann kniete sich<br />
der Schrotter auf sie und presste ihren Kopf wieder in den<br />
Dreck.<br />
„Hab sie!“ Eine verfaulte Zahnreihe grinste Nik aus einem<br />
Gesicht <strong>mit</strong> viel zu eng beieinanderstehenden Augen an. Ruhe<br />
bewahren.<br />
„Was wollt ihr?“<br />
Der Hüne schaute Nik interessiert an, sagte aber nichts.<br />
„Wollt ihr was essen? Destillat? Waffen haben wir nicht hier.<br />
Wir sind Bauern. Asketen.“ Nik betonte das letzte Wort, und<br />
forschte in ihren Gesichtern nach einer Reaktion. Kannten<br />
diese Bastarde keine Wiedertäufer?<br />
„Du interessierst uns nicht,“ sagte der Hüne <strong>mit</strong> seiner unpassend<br />
hohen Stimme, „aber deine Tochter sehr wohl.“ Niks<br />
Herz erstarrte zu einem Eisklumpen. Ja, Arden war jung...<br />
„Die Schar der Freigeher zahlt gut.“<br />
Diese verfluchten Apokalyptiker brauchten Burn-Ernter.<br />
Dennoch atmete Nik auf. Es war nicht seine Vergangenheit,<br />
die ihn einholte. Es waren gewöhnliche Räuber und Entführer.<br />
Plötzlich war der Hüne an seiner Seite, zwang ihn <strong>mit</strong> seinen<br />
Pranken in die Knie und drückte ihm eine Klinge an den Hals.<br />
Kühl fühlte sie sich an. Wie viele seiner alten Gegner hatten<br />
wohl ein ähnliches Gefühl kurz vor ihrem Tod gehabt? Aber<br />
noch immer hielt Nik das verkrüppelte Schwert in der Hand.<br />
Auf einmal kam Bewegung in die Fremden. Sie blickten<br />
zum Waldrand hinüber. Der Gasmaskenmann eilte zum Haus.<br />
Nik hatte selber nichts gesehen.<br />
Da hörte er es: „Vater! Mutter!“<br />
NEIN! dachte Nik, sie sollten nicht auch Perdres bekommen.<br />
Mit einer letzten Kraftanstrengung schlug er den Arm<br />
des Hünen beiseite, der überrascht war, dass dieser kauzige<br />
Alte Gegenwehr leistete. Nik rollte sich zur Seite und stieß<br />
das zerbrochene Schwert gegen seinen Peiniger. Es schepperte<br />
laut, als die Klinge gegen den gepanzerten Unterrock fuhr und<br />
abrutschte.<br />
Der Hüne grinste feist.<br />
Mit einem weiteren Streich – ein bisschen tiefer diesmal<br />
– zertrennte Nik dessen Achillessehne. Blut spritzte auf ihn,<br />
lief ihm heiß in Augen und Mund. Der Hüne schrie, stolperte<br />
und stürzte neben Nik auf den Kartoffelacker. Erde zu Erde.<br />
<strong>Das</strong> Schreien verwandelte sich zu einem Gurgeln, als Nik ihm<br />
<strong>mit</strong> einem weiterer Hieb die Kehle zerschnitt. Dann war da nur<br />
Stille. Der alte Wiedertäufer kniete wie ein Rachedämon über<br />
der dampfenden Leiche. Seine gelben Augen starrten aus einem<br />
blutroten Gesicht, fixierten den Schrotter. Dieser blickte<br />
ihn nur irritiert an, stand dann auf und stolperte zurück.<br />
„Rael!“<br />
Gasmaske kam zur Tür heraus, sah den Toten und den zurückweichenden<br />
Schrotter.<br />
„Scheiße!“<br />
Dann sprintete er auf Nik zu. Er war schnell, jede Bewegung<br />
wirkte geschmeidig und kraftvoll. Nik wusste, dass er<br />
gegen die wirbelnden Stilette keine Chance hatte. Nicht mehr.<br />
Tränen rannen seine faltigen Wangen hinab. Er hatte Sorge um<br />
seine Familie. Und er verspürte eine tiefe Liebe. Waren das die<br />
Gefühle, nach denen er so lange gesucht hatte? Dann war der<br />
Gasmaskenmann heran, rammte Nik eine Klinge in den Arm,<br />
riss sie heraus, stach wieder zu. Bis zur kurzen Parierstange<br />
steckte das Stilett in seinem Bauch. Nik sah noch, dass Arden<br />
dem Schrotter in den Unterleib trat, nachsetzte und ihm die<br />
Augen auskratzte. Gutes Mädchen. Auch bemerkte er noch<br />
Perdres, der das Brennholz wie in Zeitlupe fallen ließ, nach<br />
seinem Schwert griff und Arden zu Hilfe eilte. Plötzlich war<br />
der Gasmaskenmann weg, und dort waren Ardens und Perdres<br />
Gesicht. Sie weinten. Doch Nik lächelte jetzt. Dies war der<br />
erste Kampf, den zu kämpfen es sich gelohnt hatte.<br />
Und es war Frühling.