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Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis

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H O M o<br />

D E g e n e s i s<br />

Heute ist der dreizehnte Tag, dass wir den Pass überschritten<br />

und uns auf feindliches Gebiet begeben haben. Die Anspannung<br />

unter meinen Spitalier-Kollegen ist die letzten Tage<br />

beständig angestiegen. Bis etwa vorgestern. Die Aufregung<br />

ist in Gereiztheit oder einfach nur gnadenlose Langeweile<br />

umgeschlagen. Der Balkhan kotzt uns alle an: Es pisst Tag und<br />

Nacht, meine Haut ist unter dem Neopren aufgequollen wie<br />

ein Schwamm, und wenn dieses Jucken zwischen den Zehen<br />

kein Pilz ist, bin ich ein Scheiß-Sippling.<br />

Der einzige, der so ruhig ist, dass es schon an Leichenstarre<br />

erinnert, ist unser Preservist. Duchamps oder so heißt er,<br />

ein verdammter Franker, der sich für was Besseres zu halten<br />

scheint. Geredet hat er <strong>mit</strong> uns noch kein Wort. Dafür hat er<br />

aber die ganze Zeit über die Gasmaske auf. Hockt da oben auf<br />

seinem Pferd, den grünen Ölumhang auf den Schultern und<br />

blickt durch die Gegend. Wie ein Radar. Immer von der einen<br />

zur anderen Seite.<br />

Irina hat genug. Sie krempelt sich das Oberteil des Anzugs<br />

runter, verknotet die Gummiarme über der Hüfte. Ihr weißes<br />

Top ist klitschnass. Sie blickt auffordernd zu mir rüber, ich<br />

muss geglotzt haben wie ein Apok auf Burn. Weggucken.<br />

Scheiße, jetzt bin ich auch bei ihr unten durch. Ich muss auf<br />

Konfrontation gehen.<br />

„Famulant Irina. <strong>Das</strong> ist gegen die Vorschriften!“ Verdammt,<br />

wie gerne würde ich das Gleiche tun.<br />

Sie sagt nichts, schaut mich <strong>mit</strong> ihren mandelförmigen<br />

Augen nur an, schultert die Fungizidspritze und marschiert<br />

weiter. Meine Hand verkrampft sich um den Schaft meines<br />

Spreizers. 2:0 für sie.<br />

Ich komme an einem rostzerfressenen Schild vorbei, das vor<br />

mir auf dem Beton in einer Pfütze liegt.<br />

„Maribor“<br />

Nie gehört. Die Straße besteht aus zwei Reihen Betonplatten,<br />

die längst aus der Fassung geraten sind. In den Fugen<br />

wuchert dieses graue Gestrüpp, das an der Kleidung hängen<br />

bleibt oder dir die Haut aufreißt. Bastard. Ich trete nach einem<br />

Büschel, aber es raschelt nur gelangweilt. Zu beiden <strong>Seiten</strong> der<br />

Straße wagen kränkliche Nadelbäume eine Annäherung an die<br />

Betonpiste, sind aber immer noch gut fünfzig Schritt entfernt.<br />

Ich will nicht wissen, was das Urvolk hier am Straßenrand<br />

verbuddelt hat. Irina ist inzwischen ein gutes Stück voraus,<br />

taucht gerade in den Schatten eines der Betonhochhäuser ein,<br />

ist plötzlich nur noch ein dunkler Schemen. Von den anderen<br />

sehe ich nichts mehr. Verdammt, ich bin alleine hier. Mir wird<br />

plötzlich kalt in meinem Anzug. Automatisch fährt meine<br />

Hand an den Gürtel, schnippt eine Tasche auf und holt ein<br />

braunes Glasröhrchen hervor. Tranquilizer. Jeder Arzt auf<br />

Kampfeinsatz wird da<strong>mit</strong> ausgestattet. Ich würge eines der<br />

roten Kügelchen trocken herunter. Wenn ich zurück im Spital<br />

bin, werde ich ein verdammter Pillen-Burner sein.<br />

Ich eile Irina hinterher. Meine Stiefel schlagen geräuschvoll<br />

auf den harten Boden. Mein Schritt beschleunigt sich. Jetzt<br />

falle ich in einen leichten Trab, halte den Spreizer <strong>mit</strong> beiden<br />

Händen. Irgendetwas ist in der Luft. <strong>Das</strong> Rauschen der<br />

Baumwipfel ist – unnatürlich. Es spricht zu mir, erzählt mir<br />

die Geschichte der Berge. Sie sind so massiv, so allgegenwärtig,<br />

drücken mir auf die Brust. Eine Bewegung aus dem Augenwinkel,<br />

hastig blicke ich mich um, stolpere fast. Jetzt renne ich,<br />

mein Atem überschlägt sich. Da ist nichts. Oder rücken die<br />

Bäume plötzlich näher an die Straße? Die Nährflüssigkeit der<br />

Molluske schwappt hin und her, der Muskel hüpft auf und ab.<br />

Kalter Schweiß läuft mir den Rücken hinab, sammelt sich am<br />

Steißbein. Die Molluske, sie zuckt nicht, sie wird nur durchgeschüttelt,<br />

rede ich mir halbherzig ein. Ich muss es wissen!<br />

Ich zwinge mich, langsamer zu gehen, halte den Mollusken-<br />

Behälter aufrecht. Der versporte Muskel verkrampft. Dann<br />

entspannt er sich. Er schlägt gegen das Glas, immer schneller,<br />

immer heftiger. <strong>Das</strong> Rauschen der Wipfel und des Winds verfestigt<br />

sich zu einem tiefen und gleichzeitig hohen Singsang,<br />

der in mir seltsame Assoziationen von großen Augen und einem<br />

klaren Sternenhimmel weckt. Eine Echse auf dem Boden<br />

schaut mich <strong>mit</strong> schief gelegtem Kopf an, sagt „Erebere“, was

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