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Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis

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30<br />

A U F Z E I C H N U N G E N 0 5 . 0 7 . 5 6<br />

Teil 3: 05.07.56 13.12 Uhr<br />

Autor: Dr. Ramirez<br />

Immer wieder kehre ich an meinen Schreibtisch und die Protokolle<br />

zurück, um all die Eindrücke aus mir heraus zu schwemmen.<br />

Unglaubliches trägt sich hier zu.<br />

<strong>Das</strong> Kellergewölbe ist keine zwei Minuten von unserer Iglu-<br />

Siedlung entfernt. Es dient uns als behelfsmäßiges Labor – es<br />

ist leicht zu schützen und im Notfall schnell versiegelt. Ein<br />

Preservist würde es gegen einen ganzen Sipplings-Clan verteidigen<br />

können. Ein Preservist hätte davor stehen sollen, als ich<br />

durch die Reihen der Zelte ging und einen Blick hinüber warf.<br />

Als Expeditionsleiter entschloss ich mich, nach dem Rechten<br />

zu sehen.<br />

Ich schritt die breite Steintreppe hinab, stieß die rostige<br />

Eisentür auf und trat in das gleißende Weiß des Labors. Die<br />

Strahler hatten die Kälte ebenso wie die Dunkelheit aus dem<br />

Gewölbe vertrieben; im Hintergrund hörte ich das Stampfen<br />

der Stromgeneratoren. Ich stand alleine im Vorraum, einem<br />

etwa zehn Schritt langen Schlauch, von dem mehrere Gänge<br />

<strong>mit</strong> weiteren Räumen abzweigten. Auf der Suche nach einem<br />

Kollegen begab ich mich in den Arbeitstrakt, schob eine<br />

Plastikplane vor einem Durchgang beiseite und blickte in eine<br />

provisorische Bibliothek: Zwei Kisten standen aufeinander,<br />

<strong>mit</strong> ihren Öffnungen mir zugewandt; innen reihten sich zahlreiche<br />

Standardwerke aneinander, aber auch einige Bücher,<br />

die mir Rätsel aufgaben. Die Bildbände zur Bestimmung der<br />

Arten hatten nicht, wie in den Listen aufgeführt, die Flora<br />

und Fauna des ausgehenden 21. Jahrhunderts zum Thema,<br />

sondern widmeten sich der Paläontologie. Besonderes Augenmerk<br />

hatte man dabei auf das frühe „Kambrium“ gerichtet,<br />

einem Zeitalter vor etwa 500 Millionen Jahren, wie ich nachlas.<br />

Die Schriften waren fleckig vom Alter und älter als alles, was<br />

ich je in den Händen gehalten hatte. Konservatoren hatten<br />

die <strong>Seiten</strong> <strong>mit</strong> einem dünnen Firniss versehen, was auf ihre<br />

Wichtigkeit schließen ließ. Ich blätterte durch einige der Bände<br />

und erschreckte: Sie erzählten eine Geschichte der Zeit, die<br />

der gängigen Lehrmeinung der Spitalier widersprach. Trilobiten.<br />

Sie gehörten nicht in unsere Welt, behaupteten die Bücher.<br />

Sie galten seit Millionen Jahren als ausgestorben. Unmöglich!<br />

Fälschungen? Doch warum dann der Aufwand?<br />

Doktor Gharne aus der Forschungsgruppe Zoologie war<br />

es, der als erster im Gewölbe auf mich traf. Als ich ihn zur<br />

Rede stellen wollte, verzettelte er sich in eine unausgegorene<br />

Lügengeschichte, die mich an seinem Verstand zweifeln ließ.<br />

Nackte Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben, er schwitzte<br />

wie eine Sau. SCHULD war in großen Lettern in seinen Augen<br />

zu lesen. Fast flehentlich bat er mich, das Gesehene zu vergessen<br />

und Stillschweigen zu bewahren. Als Freund hatte ich ihn<br />

einst gesehen, jetzt war er mir zuwider. Wie einen räudigen<br />

Hund prügelte ich ihn die Treppe hinauf und jagte ihn in das<br />

Schneetosen, dann stieg ich wieder hinab.<br />

Was ich fand, waren Kisten voller Fossilien, eingelagert in<br />

einem Nebenraum. Die Beschriftung deutete darauf hin, dass<br />

sie aus den Ruinen eines naturkundlichen Museums geborgen<br />

worden waren. Und alles, ohne dass ich etwas bemerkt hatte.<br />

Kiste um Kiste wurde von mir aufgehebelt, und die Größe<br />

des Unterfangens lastete <strong>mit</strong> dem Gewicht eines Berges auf<br />

meiner Seele. Alle mussten es gewusst haben. Alle.<br />

Was geht hier vor? Und warum verheimlicht man mir als Leiter<br />

des Expeditionsteams die Details unserer Unternehmung?<br />

A U F Z E I C H N U N G E N 0 6 . 0 7 . 5 6<br />

Teil 4: 06.07.56 1.43 Uhr<br />

Autor: Preservist Fermentis<br />

Die schon von mir vor Beginn der Expedition geäußerten Befürchtungen<br />

haben sich bestätigt. Einen Fremdstrang-Arzt auf<br />

eine Unternehmung zu einem der großen Krater zu schicken,<br />

Tag für Tag nur eine Handbreit von der Wahrheit entfernt<br />

– das war ein Fehler. Heute waren wir gezwungen, Doktor<br />

Ramirez abzulösen. Bis zum Eintreffen eines neuen Expeditionsleiters<br />

übernehme ich kommissarisch dessen Funktionen.<br />

In einem Gespräch gab er mir gegenüber zu, an der anerkannten<br />

und von uns unterstützten Meinung über die<br />

Entwicklung von Flora und Fauna seit dem Nullereignis zu<br />

zweifeln: Nach Studium der verbotenen Bücher, die Doktor<br />

Gharne törichterweise unbeaufsichtigt an seinem Arbeitsplatz<br />

hinterlassen hatte, hält Doktor Ramirez viele der häufigsten<br />

Arthropoden sowie einige der Mischformen wie die Ferriten<br />

nicht länger für etablierte Arten des 22. Jahrhunderts, sondern<br />

für reaktivierte Spezies. Offensichtlich ist er da<strong>mit</strong> der Wahrheit<br />

näher gekommen, als das Protokoll für niedrigrangige<br />

Fremdstrang-Ärzte vorsieht. Was <strong>mit</strong> ihm nun geschieht, müssen<br />

andere entscheiden.<br />

Fermentis Ende<br />

T E X T F R A G M E N T ,<br />

Z U O R D N U N G S P I T A L I E R ,<br />

PA N D O R A - E X P E D I T I O N<br />

Dossier Doktor Ramirez<br />

Als Absolvent des Fremdstrang-Projektes verfügt Doktor<br />

Ramirez über hervorragende körperliche Voraussetzungen<br />

für Außeneinsätze in gefährdeten Gebieten, die unseren Reinstrang-Ärzten<br />

aufgrund ihrer Anfälligkeit für HIVE verschlossen<br />

bleiben. Zusammen <strong>mit</strong> seinen erfreulichen Fähigkeiten<br />

in der Zoologie und Kenntnissen grundlegender chemischer<br />

Prozesse qualifizierte er sich für die seit langem anvisierte Expedition<br />

zum östlichsten der uns bekannten Kraterseen – Pandora.<br />

Hoffen wir, dass seine Untersuchungsergebnisse nicht<br />

dem Namen dieses enigmatischen Ortes zur Ehre gereichen<br />

und unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigen.<br />

Unserer Planung nach müsste Ramirez <strong>mit</strong> seinem Team<br />

aus fünf Spitaliern und zwei Preservisten die Knochenfelder<br />

Warschaus am gestrigen Tag erreicht haben. Nachdem er von<br />

Danzig aufgebrochen war, hätte seine erste Pflicht das Etablieren<br />

einer Relaisfunkstrecke sein sollen, um uns über sein<br />

Vorankommen unterrichten zu können. <strong>Das</strong>s dies ausblieb,<br />

kann auf ernsthafte Probleme hindeuten; andererseits wurden<br />

unsere Relaisstationen bereits des Öfteren von den verdammten<br />

Schrottern oder Apokalyptikern demontiert. Fest steht in<br />

dieser Sache nur, dass wir mal wieder nichts wissen. Hoffen<br />

wir, dass Preservist Fermentis in seiner Funktion als Kontrollführer<br />

bei Problemen die notwendigen Schritte einleitet, oder<br />

besser: Sich einzuleiten traut.<br />

Vorläufiger Zwischenbericht „Pandora-Expedition“ Ende<br />

A U F Z E I C H N U N G E N 0 7 . 0 7 . 5 6<br />

Teil 5: 07.07.56 22.05 Uhr<br />

Autor: Ramirez, auf der Flucht<br />

Vorgestern noch lebte ich in einer zwar harten, aber erklärbaren<br />

Welt, in der alles seinen wohl definierten Platz hatte. <strong>Das</strong><br />

Wissen einer uralten Zivilisation lag mir zu Füßen, sich zu<br />

bücken und danach zu greifen war ein altes Ritual, das jeder

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