Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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sion des Testaments als Kodex bezeichnete und als Wegweiser<br />
für alle anderen Richter zur Pflicht machte. Den schwelenden<br />
Konflikt zwischen Praktikern und Advokaten entschärfte er,<br />
indem er beiden Fraktionen unterschiedliche Aufgaben zuwies:<br />
Die einen arbeiteten Gesetze aus, während die anderen<br />
sie draußen umzusetzen suchten. Streitigkeiten in den eigenen<br />
Reihen begegnete er <strong>mit</strong> einem System aus Rängen, die vorgaben,<br />
wer letztlich Recht behalten sollte. Von nun an gab<br />
es Nieder- und Hochrichter, Vaganten und Vollstrecker. Die<br />
Hierarchien sollten sich in den kommenden Jahrzehnten noch<br />
ändern, doch der Grundstein war gelegt. Jetzt galt es, darauf<br />
ein tragfähiges Monument zu errichten.<br />
P R O T E K T O R AT<br />
Die Macht Justitians strahlte bald über seine Stadtmauern hinweg<br />
in die entferntesten Winkel Borcas. Nach den verheerenden<br />
Städtekriegen der Region lief alles auf einen Höhepunkt<br />
hin – tausende Flüchtlinge aus dem aufgegebenen Exalt und<br />
anderen großen Siedlungen strömten auf der Suche nach Frieden<br />
und Ordnung in die Stadt der Richter. Und in diesen reifte<br />
der Gedanke nach wahrer Größe heran.<br />
Wieder Jahre später herrscht Justitian über weite Teile des<br />
nordwestlichen Borcas. Umliegende Dörfer unterstehen dem<br />
Protektorat der Richter, tauschten ihre Freiheit gegen Recht<br />
und Ordnung. Nicht dass sie die Wahl gehabt hätten.<br />
An der Waffe ausgebildete Richter kontrollieren heute die<br />
Einhaltung der Bündnispflichten. Man kennt sie als Protektoren.<br />
S T E I N K Ö P F E<br />
Es ist Tradition unter den Richtern, die sterblichen Überreste<br />
eines Ersten Richters zusammen <strong>mit</strong> dem von ihm verfassten<br />
Kodex in einen mächtigen, übermannshohen Steinkopf einzumauern.<br />
Entlang der Richtallee in Justitian reihen sich 23<br />
dieser Monumente und blicken <strong>mit</strong> gestrengem Blick auf die<br />
neue Generation Richter.<br />
G E WA LT E N T E I L U N G<br />
Legislative, Judikative und Exekutive – die drei Säulen einer gesunden<br />
und starken Gesellschaft. Die einen formen das Gesetz<br />
aus, die anderen bringen es zur Anwendung und letztere vollstrecken<br />
die Strafen, sollte es gebrochen werden. Drei Gewalten,<br />
die Tür und Tor für Missbrauch öffnen, sollten sie in einer<br />
Person oder einer Organisation zusammenfallen. Die Richter<br />
sind all dies. Es bedarf einer starken Persönlichkeit und einer<br />
strengen Führung, um den süßen Verlockungen der Macht zu<br />
entgehen. Einer Persönlichkeit wie dem Ersten Richter. Er<br />
könnte der Marionettenspieler im Hintergrund sein, der die<br />
Kult-Mitglieder an unsichtbaren Fäden tanzen ließe. Doch er<br />
lässt sie gewähren, ist er doch wie sie und sie wie er. Er ist ein<br />
Gleicher unter Gleichen, kein Herrscher. Er geht <strong>mit</strong> gutem<br />
Beispiel voran. Die Richter folgen in seinen Fußstapfen. Doch<br />
die Fußstapfen sind groß, lassen viel Raum für eigene Wege.<br />
Was die Uniform den Richtern an Individualität raubt, können<br />
sie <strong>mit</strong> eigenwilliger Vorgehensweise ausgleichen. Aber es gibt<br />
Grenzen.<br />
D E R K O D E X<br />
Jeder Erste Richter tritt das höchste Amt des Kults <strong>mit</strong> einem<br />
eigenen Kodex an. Zumeist war es eine an die Umstände angepasste<br />
und teils verschärfte Fassung des Vorgängers. Wurde<br />
ein Erster Richter ernannt, ging es nie nur um die Person. Die<br />
Richterschaft wählte da<strong>mit</strong> auch dessen Version des Kodex<br />
und bestimmte so<strong>mit</strong> den Weg des Kults für die nächsten<br />
Jahre. Ein enormer Aufwand: Schreiber arbeiteten Tag und<br />
Nacht über Monate hin an den Abschriften, um jeden Richter<br />
<strong>mit</strong> dem Gesetzeswerk auszustatten. Doch es sollte sich immer<br />
lohnen. Die Schrift war nah am Volk, glich einem Vertrag<br />
zwischen den Bürgern Justitians und den Richtern. Und der<br />
Kodex entwickelte sich, wurde um neu erarbeitete Gesetze der<br />
Advokaten ergänzt. Je länger sich ein Erster Richter auf seinem<br />
harten Thron hielt, um so komplexer und feinmaschiger<br />
wurde das Netz aus Regeln und Paragraphen, war selbst von<br />
denen, die an ihm <strong>mit</strong>gewoben hatten, kaum mehr zu durchblicken.<br />
Und Vorsitzender Archot ist der älteste von ihnen allen.<br />
Seit über zwanzig Jahren hat er das Amt des Ersten Richters<br />
inne, sein Kodex ist zu einem Monstrum angeschwollen, das<br />
niemand mehr zu bändigen vermag.<br />
Den inzwischen kleinsten aber doch ursprünglichsten Teil<br />
des Kodex nehmen die Grundgebote wie „Du darfst nicht<br />
töten“ und „Du darfst nicht stehlen“ ein. Die untergeordneten<br />
Paragraphen erfassen auf vielen <strong>Seiten</strong> Ausnahmen und<br />
Strafmaß. Dann folgen in inzwischen undurchschaubarer<br />
Anordnung die aus Präzedenzfällen entnommenen Regeln zu<br />
Streitigkeiten jedweder Art: Ehebruch, Betrug, Hochstapelei,<br />
Amtsmissbrauch und vieles mehr – jede Eventualität ist durch<br />
Paragraphen abgedeckt. Die Außenweltklauseln beschreiben<br />
das Vorgehen außerhalb des Stadtgebiets in großem Detail,<br />
was die Rechte und Pflichten von Richtern und protektoratsfremden<br />
Menschen sind. Ein besonders befremdlicher<br />
Abschnitt des Kodex gibt Maßnahmen zur Verurteilung von<br />
Tieren vor, sollten sie in einen Sodomiefall verwickelt sein oder<br />
am Tod eines Menschen die Schuld tragen.<br />
Während die Advokaten in ihren Prachtbauten neue Gesetze<br />
ersinnen und ein Heer an Schreibern <strong>mit</strong> einer Flut an<br />
Kodex-Ergänzungen beschäftigt halten, blicken die Protektoren<br />
draußen in den Straßen Justitians einer finsteren Zukunft<br />
entgegen. Nur wenige Alte erinnern sich noch an die Zeiten,<br />
als das handliche, in schwarzes Leder eingeschlagene Büchlein<br />
ihnen die Richtung wies, aber sie nicht wie auf Schienen einen<br />
Abhang hinunter rasen ließ. Da ist kein Spielraum mehr. Was<br />
interpretiert werden konnte, wurde interpretiert und in Stein<br />
gemeißelt. <strong>Das</strong> Gesetz ist zu einer Last geworden.<br />
I N S I G N I E N D E R M A C H T<br />
Der Kodex ist den Richtern das Zeichen der Judikative, der<br />
rechtsprechenden Gewalt. Die Exekutive, also die vollstreckende<br />
Gewalt, wird durch den langstieligen Hammer symbolisiert.<br />
Die Legislative, das ist die gesetzgebende Gewalt, wird<br />
einzig durch den Ersten Richter verkörpert, auch wenn ihm<br />
von zahllosen Advokaten zugearbeitet wird.<br />
Die Insignien weisen einem Richter unterschiedliche Befugnisse<br />
zu und werden ihm nur nach entsprechender Qualifizierung<br />
zugestanden: Der Kodex gewährt im das Privileg,<br />
Recht zu sprechen, während der Hammer ihm erlaubt, den<br />
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