Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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306<br />
D A S S O N N E N B A N D -<br />
E R E I G N I S<br />
Während die Asteroidenbruchstücke in der nördlichen Hemisphäre<br />
<strong>mit</strong> wuchtigen Schlägen Krater in das Land stanzten,<br />
durchpflügte ein Irrläufer den Himmel über Afrika. In etlichen<br />
Kilometern Höhe zog er vom Sudan in südwestlicher Richtung<br />
über das Kongobecken, bevor er irgendwo über dem Atlantik<br />
wieder im Weltall verschwand. Die Dauer des Fly-By-Ereignisses<br />
betrug nur knapp zwei Minuten, doch seine Zerstörungskraft<br />
sollte die Erscheinung Afrikas auf ewig verändern:<br />
<strong>Das</strong> gigantische Geschoss erhitzte die es umgebende Luft auf<br />
30.000 Grad Celsius und strahlte in einem unerträglich hellen<br />
Licht – manch einer glaubte in das Antlitz Gottes zu blicken<br />
und fiel bei diesem Anblick auf die Knie. Von der Eintrittsstelle<br />
zog sich ein glühender Schweif über das Firmament,<br />
durchdrungen von giftigen Schwaden ionisierten Sauerstoffs<br />
und Stickstoffs. Geschmolzenes Gestein perlte in einem grandiosen<br />
Feuerwerk gen Erde, härtete während des minutenlangen<br />
Falls zu glitzernden Tropfen aus.<br />
All dies geschah vollkommen lautlos. Menschen strömten aus<br />
ihren Hütten, um das feurige Spektakel zu beobachten. Aufregung<br />
herrschte in den Straßen. Die Mittagssonne brannte heiß,<br />
es roch nach Staub. Staunend wies man Freunde und Verwandte<br />
auf die gleißenden Lichtblitze hin, die an der ständig wechselnden<br />
Front des taumelnden Himmelskörpers aufblühten. Besonders<br />
heftige Entladungen blähten sich noch im Schweif zu gigantischen<br />
Feuerbällen auf, als der Asteroid bereits weitergerast<br />
war – eine himmlische Perlenkette, aufgereiht auf einem Faden<br />
aus Plasma und Stickoxiden. Später sollte dieses Phänomen als<br />
Sonnenband in die Kultur der Rückkehrer und Neubesiedler<br />
eingehen; Stammesreligionen nahmen sich des Ereignisses an,<br />
das nur vier Minuten nach seinem ersten Auftreten den Landstrich<br />
zwischen Sudan und Congobecken entvölkerte.<br />
Kaum jemand war sich der Gefahr bewusst, erahnte auch<br />
nur die Bugwelle komprimierter Luft, die der Asteroid vor<br />
sich her trieb. Ein Grollen wie von tausend Donnerschlägen<br />
brandete auf die Erde hinunter, ein unangenehmer Druck<br />
machte sich in den Ohren bemerkbar. Überall schluckten die<br />
Menschen krampfhaft, Angst schlich sich auf ihre Gesichter.<br />
Wolken rasten wie in Zeitraffer über ihnen dahin. Der Himmel<br />
verdunkelte sich, die Sonne war nunmehr eine glosende<br />
Murmel, weit entfernt und unbeteiligt; Sterne stachen durch<br />
das Cadmiumblau des Zenits. Weit im Norden, jenseits des<br />
Horizontes, blitzte etwas.<br />
Dann plötzlich war das Vorspiel beendet: Mit mehreren tausend<br />
Atmosphären Druck prallte die Welle auf die Erde, fraß<br />
sich <strong>mit</strong> unglaublichen 30km pro Sekunde durch das Land,<br />
pulverisierte alles in ihrem etwa 300km breiten Korridor und<br />
riss diese Melange aus Mensch, Tier, Vegetation, Bauwerken<br />
und Dreck als Staubwolke hinter sich in die Höhe. Bei guter<br />
Sicht hätte man noch von Libyen aus – trotz der Erdkrümmung<br />
– im fernen Süden eine schwarze, wogende Wand ausmachen<br />
können.<br />
Stürme entluden ihre zerstörerische Kraft in die angrenzenden<br />
Regionen, die von den un<strong>mit</strong>telbaren Auswirkungen des<br />
Vorbeiflugs verschont geblieben waren. Zentralafrika versank<br />
in einem tosenden Meer aus Chaos und Vernichtung. Die Hilfeschreie<br />
der Menschen verhallten ungehört; ein Tsunami hatte<br />
die stark urbanisierten Küstenregionen Nordafrikas verwüstet,<br />
der Süden kapselte sich ab.<br />
Es sollte Jahre dauern, bis der Niederschlag den Staub aus<br />
der Luft gewaschen hatte, und es vergingen weitere 200 Jahre,<br />
bis die ersten Menschen zurückkehrten. <strong>Das</strong> Land hatte sich<br />
erholt. <strong>Das</strong> veränderte Klima trieb regenschwangere Wolken<br />
vom Atlantik her über die Sahara, ließ sie am Ahaggar-Massiv<br />
großzügig melken. <strong>Das</strong> Wasser bahnte sich einen Weg die<br />
Hänge hinab in die einstmals staubige Ebene und schnitt dabei<br />
tiefe Rillen in den losen Untergrund. Schlamm- und Gerölllawinen<br />
ergossen sich in die Meere oder wurden zu schroffen<br />
Hügellandschaften zusammengetrieben. Die Vegetation<br />
explodierte förmlich in dem feuchtwarmen Klima, Pflanzenteppiche<br />
breiteten sich in einer rasenden Geschwindigkeit<br />
aus. Sturzfluten rissen immer wieder große Schollen aus dem<br />
Geflecht und trieben sie als grüne Inseln aufs Meer hinaus. Die<br />
Natur triumphierte über die Wüste.<br />
2074: Der Wiederaufbau ist das alles beherrschende Ziel am<br />
Tag danach.<br />
Lokale Krisenstäbe übernehmen die Kontrolle, während<br />
Pioniereinheiten strategisch wichtige Zufahrtsstraßen räumen<br />
und destabilisierte Brücken befestigen. Ein neuer Patriotismus<br />
entflammt das Volk – man gibt sich noch lange nicht geschlagen.<br />
Die beim Eintritt der kosmischen Geschosse in die Atmosphäre<br />
entstandenen elektromagnetischen Impulse hatten die<br />
globalen Telefonnetze lahm gelegt. Eine dichte Schicht aus<br />
ionisierten Staubpartikeln verhindert weiterhin jegliche Verbindung<br />
zu Telekommunikations- oder GPS-Satelliten, wenn<br />
diese nicht ohnehin zu kosmischem Staub verdampft sind. Der<br />
Stream gilt als unwiderruflich zerstört, und er riss wichtige logistische<br />
Daten <strong>mit</strong> ins Vergessen. Der Wiederaufbau gestaltet<br />
sich ohne Kommunikation und Koordination schwierig. Und<br />
doch bilden sich drei Machtzentren in den noch rauchenden<br />
Ruinen des alten Deutschlands heraus: Große UEO-Verbände<br />
sammeln sich an der Bigge-Talsperre und organisieren von<br />
dort die Wasserversorgung des südlichen Ruhrgebiets. Später<br />
werden sich diese Einheiten als der Konvoi einen Namen im<br />
ganzen Land machen. Berlin als Regierungssitz und Hauptstadt<br />
gilt als Ausgangspunkt für alle humanitären Bemühungen,<br />
von dort will man den Wiederaufbau koordinieren, was<br />
jedoch von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist. Der letzte<br />
und größte Sammelpunkt ist Koblenz, das <strong>mit</strong> seinen weitläufigen<br />
Kasernenanlagen, nur geringen Schäden und hervorragender<br />
Infrastruktur bestens geeignet scheint. Weitere angedachte<br />
Krisenkontrollzentren in Metropolen wie Hamburg, Frankfurt<br />
oder München nehmen nie ihre Arbeit auf; erst Jahre später<br />
erfährt man in Koblenz und Berlin, dass München und Hamburg<br />
vollständig vernichtet wurden.<br />
2075: Der Sichelschlag bricht auf und spaltet Deutschland.<br />
Die Überquerung dieser tektonisch äußerst instabilen Zone<br />
auf dem Landweg gerät zu einem unvorhersehbaren Risiko.<br />
Mit dem spurlosen Verschwinden eines Nahrungskonvois am<br />
20. Dezember wird der Transfer eingestellt. Die westlichen<br />
Krisenkoordinationszentren sind da<strong>mit</strong> endgültig von Berlin<br />
abgeschnitten.<br />
2076: Der Sichelschlag breitet sich unaufhaltsam aus. Inzwischen<br />
hat er eine Breite von durchschnittlich zwei Kilometern,<br />
und ein Ende ist nicht absehbar. Ortschaft um Ortschaft wird<br />
zwischen den sich auftürmenden Erdschollen zermalmt, Flüsse<br />
glühenden Gesteins brennen sich durch das Land<br />
2079: Die sogenannte „zweite Welle“ erreicht Nordeuropa:<br />
HIVE, wie das mysteriöse Virus von der Elfenbeinküste in-