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Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis

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Denn heute ist der Tag, an dem die Zukunft des eigenen<br />

Unternehmens für ein weiteres Jahr bestimmt wird. Aber so<br />

viel mehr hängt daran: Der Wohlstand des Heimatdorfes, sozialer<br />

Auf- oder Abstieg, Ansehen. Heute werden die Handelskonzessionen<br />

erneut vergeben.<br />

Die Sonne hat ihren höchsten Stand erreicht und gleißt einsam<br />

am Mittagshimmel. Es ist soweit! <strong>Das</strong> massive Glasportal<br />

in das wirtschaftliche Herz Africas wird von muskulösen<br />

balkhanischen Sklaven aufgestemmt. Ungeduldig drängen<br />

die Neolibyer unter lautem Rufen in das kühle Zwielicht der<br />

Handelsbank. Es geht durch die Lobby vorbei an kunstvollen<br />

Webteppichen, dann teilt sich der Strom auf und schwappt die<br />

beiden Treppen zur Galerie empor. Säbelscheiden und Flinten<br />

stoßen in dem Gedrängel aneinander, wie Gefechtslärm hallt es<br />

durch die marmornen Hallen. Es dauert nicht lange und man<br />

hat sich oberhalb des Kartenraums versammelt und arrangiert.<br />

Optionen auf Bündnisse werden ausgegeben, bedingte Versprechen<br />

dröhnen von der einen Seite zu der gegenüberliegenden<br />

Galerie, Menschen beugen sich weit über die Balustrade,<br />

suchen ihr Gefolge oder schnappen einfach nur nach Luft.<br />

Unter ihnen, auf dem Boden des Kartenraums breitet sich das<br />

berühmte und namensgebende Mosaik Europas und Africas<br />

aus, kunstvoll aus einer Unzahl von zu Plättchen geschliffenen<br />

Halbedelsteinen zusammengesetzt. Nägel markieren Ortschaften,<br />

zwischen ihnen gespannte, gefärbte Bindfäden stehen für<br />

Handelsrouten. Ein dichtes Netz von ihnen überzieht das<br />

Kunstwerk, bündelt sich zu dicken Strängen in Tripol. Kleine<br />

Fähnchen sind an die Fäden geknotet, Fähnchen <strong>mit</strong> Namen<br />

von Neolibyern. Viele der Fähnchen werden heute abgerissen<br />

und durch andere ersetzt werden. Aufstieg und Abschwung.<br />

<strong>Das</strong> lauthalse Debattieren verebbt zu einem verstohlenen<br />

Gemurmel, als die Kartierer auf die Landkarte schreiten. Hinter<br />

ihnen folgt der Auktionator Thabul. Mehrheitlich gewählt<br />

und am Ende seiner langen Karriere erbietet ihm jeder Respekt<br />

und Vertrauen. Er sei ebenso alt wie Tripol, scherzt man<br />

in den Rängen, doch seine Geist ist frisch und seinen Augen,<br />

schwarzen Murmeln in wulstigem, behaartem Fleisch, entgeht<br />

nichts. Nichts anderes erwartet man von ihm.<br />

Er eröffnet die Schlacht um Konzessionen <strong>mit</strong> einer<br />

unscheinbaren, aber wahrscheinlich entwickelbaren Route<br />

zwischen purgischen Schrottercamps. Noch ist die Stimmung<br />

verhalten, man wartet auf die großen Fische: Tripol in den<br />

Rest der Welt. Einige verlieren die Nerven und leisten sich<br />

ein Biet-Scharmützel auf der Galerie, es wird geschrieen und<br />

geflucht, Thabul blickt vom einen zum anderen, registriert die<br />

beständig steigende Konzessionssumme <strong>mit</strong> Gleichmut, bis er<br />

dem Neolibyer <strong>mit</strong> dem rot-blau gemustertem Hüfttuch und<br />

der schmucklosen Flinte den Zuschlag erteilt. Schweißtropfen<br />

stehen auf dessen Gesicht. Es ist kühl im Kartenraum. Eine<br />

Sekunde Ruhe. Luftholen. Dann folgen Route auf Route <strong>mit</strong><br />

wechselnder Qualität, Schlag um Schlag. Wellen der Empörung<br />

gehen durch die Gefolgschaften der Verlierer, die Gewinner lachen<br />

oder brüllen ihren Erfolg heraus. Es scheint, als führe der<br />

Aktionator einen Tanz auf, huscht geschickt auf dem <strong>mit</strong> Stolperschnüren<br />

überfrachteten Mosaik umher, deutet auf Länder,<br />

ruft die Handelsvolumina aus und preist einem Marktschreier<br />

gleich die Vorzüge der einen Stadt oder des anderen Seewegs.<br />

Die Kartierer an seiner Seite greifen zielsicher die Fähnchen,<br />

reißen sie ab und ersetzen sie durch neue. Ruhe lässt Thabul<br />

nicht einkehren, er hetzt die Händler von Route zu Route. Sobald<br />

Ruhe einkehrt, offeriert er profitable Routen, tröpfelt so<br />

Öl ins Feuer. Es ist ein Spiel, und die Welt ihr Spielbrett.<br />

Die Sonne neigt sich dem Horizont zu. Ganz Tripol scheint<br />

sich um die Handelsbank zusammengezogen zu haben. Nur<br />

wer ganz vorne steht, wird eine Chance erhalten, die Nacht<br />

<strong>mit</strong> Sklaven, Wein und Spezialitäten aus der ganzen bekannten<br />

Welt zu verbringen. Geißler können die Menschenmassen<br />

kaum mehr bändigen. Die in den ersten Reihen starren gebannt<br />

auf die massiven Glastüren. Gleich schon werden durch<br />

sie die Neolibyer strömen, die einen niedergeschlagen und abweisend,<br />

die anderen euphorisch und spendabel. Letztere werden<br />

Feste ausrichten, um das Volk an ihrer Freude teilhaben zu<br />

lassen, wie es Tradition ist. Die Nacht des Rausches. Da, die<br />

Balkhaner stemmen sich gegen die Türflügel...<br />

B I S A N D I E S P I T Z E<br />

Die Neolibyer sind Händler, denen der Sinn nach Profit, Einfluss<br />

und Besitz steht. Ihr Leben gleicht einer verzehrenden<br />

Flamme im Jetzt, die ihren Schein in die Zukunft wirft und das<br />

Vergangene dabei ausspart, denn das Wissen um das Gestern<br />

bringt ihnen keinen Vorteil, der in Dinaren zu messen wäre. Es<br />

existiert daher keine ausformulierte Historie des Kults, sondern<br />

lediglich Archive voller verstaubter Buchhaltungsbücher<br />

und Ordner <strong>mit</strong> Handelsabkommen und Verträgen.<br />

Mit Gespür und Geduld lässt sich daraus eine Geschichte<br />

der Neolibyer ableiten, die etwa 50 Jahre nach der Zerstörung<br />

der africanischen Küstenregion ihre rasante Entwicklung<br />

nahm. Die ersten verbuchten Schriftstücke sind in libyscher<br />

Sprache verfasst und zeugen von ungemeiner Geschäftstätigkeit<br />

in zahllosen Dörfern und Städten im africanischen Hinterland.<br />

Der Libyer – es scheint, als sei es ein einzelner gewesen<br />

– war ein Händler, der in nur wenigen Jahren ein enormes<br />

Netz an Kontakten gesponnen und einen Reichtum angehäuft<br />

hatte, der ihn schon zu Lebzeiten zu einer Legende erhoben<br />

haben dürfte. Seine Handelsposten entlang der africanischen<br />

Mittelmeerküste sollten die Keimzellen einer neuen urbanen<br />

Entwicklung sein. Eine davon war Tripol, der Geschichte nach<br />

das Heimatdorf des Libyers in<strong>mit</strong>ten der Ruinen des uralten<br />

Tripolis. Die Handelsströme vereinigten sich hier, so behaupten<br />

die Bücher, und brachten ungeahnten Wohlstand – Tee,<br />

wertvolle Stoffe, Öl, Getreide. Die Geister der Ahnen waren<br />

der Stadt gnädig gesonnen. Tripol gedieh.<br />

Der Libyer konnte seine Unternehmung längst nicht<br />

mehr allein kontrollieren. Man stößt auf lange Listen <strong>mit</strong><br />

Abrechnungen für Aushilfen; Konkurrenten, die zuvor in<br />

Handelskriegen niedergerungen wurden, stehen jetzt unter<br />

Lohn und festigen das Imperium. Andere Eintragungen<br />

mögen verwundern: Riesige Kostenpositionen deuten darauf<br />

hin, dass ein beträchtlicher Prozentsatz der Einnahmen der<br />

Bevölkerung zugute kam. Der Bau von Versammlungshallen,<br />

Urbarmachung von Feldern, Befestigung von Kanälen und<br />

andere Infrastruktur-Projekte beendeten den Niedergang des<br />

africanischen Kontinents endgültig. Jetzt nahm man Anlauf,<br />

um einen Berg aus kulturellen Altlasten, Klan-Feindschaften<br />

und desolaten Strukturen zu erstürmen. Es sollte gelingen.<br />

D E N A B A K U S<br />

I N D E R E I N E N H A N D . . .<br />

200 Jahre nach dem Tod des legendären Händlers nennen<br />

sich seine Nachfahren Neolibyer. Sie halten die von ihm auf-<br />

143

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