Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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F O R WA R D > > D E R R E I C H T U M<br />
D E R N E O L I B Y E R<br />
Tripol als einflussreichste und größte Stadt Africas beherbergt<br />
das für die Neolibyer wohl wichtigste Gebäude – die Handelsbank.<br />
Hier erwerben die Händler einmal im Jahr Handelskonzessionen,<br />
die ihnen das Recht geben, auf bestimmten Routen<br />
bestimmte Waren zu handeln oder die Erträge bestimmter Gebiete<br />
einzufahren, wozu auch Plantagen und Ölfelder gehören.<br />
Es ist eine äußerst effektive Form des Gebietsschutzes, die jegliche<br />
Konkurrenz innerhalb des Kults vermeidet, aber gerade<br />
auch die schon vermögendsten Neolibyer begünstigt – wer viel<br />
Geld hat, bekommt die besten Konzessionen.<br />
S Y M B I O N T O D E R PA R A S I T ?<br />
Während in Europa die Fäulnis weite Teile des Landes befällt,<br />
zeichnet sich in Africa eine andere Entwicklung ab, deren<br />
Gefährlichkeit der Fäulnis in Nichts nachzustehen scheint.<br />
Statt auf Schimmelsporen schien sich der Primer auf andere<br />
Verbreitungsarten zu konzentrieren. Jahrzehntelang wütete<br />
im menschenleeren Land entlang des Äquators eine von der<br />
Urmaterie angestoßene Evolution – fauliger Krebs blühte auf<br />
Pflanzen und Tieren auf, fraß sich in sie hinein; die Kadaver<br />
waren noch nicht verrottet, da brannten die außerirdischen<br />
Gene schon in den Leibern der nächsten Generation. Alle<br />
Spielarten schienen getestet zu werden, emotionslos und<br />
automatisch. Wie eine Rechenmaschine, die stumpf alle vorgegebenen<br />
Programme durchläuft und am Ende <strong>mit</strong> einer<br />
Wertung dasteht. Pflanzen erhielten den Zuschlag, waren sie<br />
den Schimmelsporen in dieser feuchten Umgebung doch weit<br />
überlegen. Doch die neue Vegetation war anders, hatte nicht<br />
mehr viel <strong>mit</strong> den einheimischen Pflanzen gemeinsam. Sie war<br />
grotesk verzerrt und umprogrammiert worden, versehen <strong>mit</strong><br />
neuen Eigenschaften, so dass sie nur noch die grobe äußere<br />
Struktur <strong>mit</strong> ihren Vorfahren gemein hatte: Dies war die Genesis<br />
der Psychovoren.<br />
Sie betören Mensch, Tier und irdische Vegetation <strong>mit</strong> ihren<br />
verlockenden Gerüchen, stechen sie <strong>mit</strong> Dornen, verschießen<br />
<strong>mit</strong> Widerhaken versehene Sporen, dringen über die Poren in<br />
sie ein und injizieren ihre fremdartige Gensequenz, breiten<br />
sich aus. Befallene Lebewesen adaptieren, oder sie werden innerlich<br />
von einem sich rasch entwickelnden Krebs zerfressen.<br />
Menschen erleiden einen schrecklichen Tod.<br />
Doch die bizarren Pflanzenmutanten scheinen weitere<br />
Eigenschaften zu haben, die über den rein zerstörerischen<br />
Aspekt hinausgehen: Je weiter man sich in den Süden vorwagt,<br />
desto seltsamer verhalten sich die dort ansässigen Sippen. Ihre<br />
Sprache ist ein rudimentäres Gebrabbel – sie reden in Zungen.<br />
Und sie verstehen sich. Hält man sich mehrere Tage bei ihnen<br />
auf, so berühren die vermeintlich sinnlos dahergeredeten<br />
Silben etwas im Geist, sprechen plötzlich Gefühle an, als sei<br />
jedes Phonem ein wohlbedachter Schlag auf einer Marimba.<br />
Wieder Tage später hat sich die Sprache zu einem sinnlichen<br />
Instrument entwickelt, Kommunikation zu einer intuitiven<br />
Musik, die wie ein Wasserfall an Rasseln und rhythmischer<br />
Trommelschläge Eingang in das Nervensystem findet und<br />
Sinn schafft. Es gibt keine Missverständnisse mehr zwischen<br />
zwei Gesprächspartnern; die eigene Seele ergießt sich in den<br />
Geist des Gegenübers. Die Menschen leben in Frieden, selbst<br />
über Jahrhunderte verfeindete Sippen haben jegliche Feindschaft<br />
begraben.<br />
Und doch bedenken die Neolibyer den vorrückenden<br />
Pflanzengürtel <strong>mit</strong> einem negativen Begriff: Psychovore, oder<br />
Geistfresser. Er verdrängt die africanischen Sippen aus ihren<br />
angestammten Territorien, schluckt gierig africanisches Land.<br />
Eines Tages wird er auch die Küstenstädte erreichen. Hat man<br />
bis dahin keine Lösung gefunden, werde der Löwe unwiderruflich<br />
sterben, so die Meinung der Händler. Die Geißler können<br />
die Neolibyer für ihre pessimistische Weltsicht nur belächeln:<br />
Sie sehen in den Psychovoren die Inkarnation ihrer Ahnen,<br />
die kommen, um ihnen in ihrer Stunde der Stärke beizuwohnen.<br />
Die Anubier sahen dies alles kommen. Sie wissen und sie<br />
schweigen.<br />
S TA H L S TAT T S E E L E<br />
Alles scheint seltsam verquer und falsch, wenn es um die<br />
stählernen Menschmaschinen geht. Sie stehen außerhalb der<br />
uralten Prinzipien – kalte belebte Maschinenleiber, die nicht<br />
einmal von Dämonen beseelt werden können. Ihre bloße<br />
Präsenz treibt einen widerhakenbewehrten Dolch in die Seite<br />
des Löwen, denn sie gehören weder in diese Zeit, noch in ein<br />
erwachtes Africa. Sie verkörpern die verhassten Eigenschaften<br />
des weißen Urvolks: Dominanz, Unterwerfung und Ausbeutung.<br />
Trotz der feuchten Hitze in viele Lagen verrottender<br />
Lumpen gehüllt, halten sie Wache auf den Zinnen der wuchtigen<br />
Betonklötze <strong>mit</strong>ten im endlosen Grün des Dschungels.<br />
Giftige Dämpfe steigen aus Schloten auf, tödliche Schlacken<br />
rinnen an den Wänden hinab wie stinkender Kot am Bein<br />
eines Leprösen. Werden die Tore aufgestoßen, brechen aus<br />
dem Inneren lärmende Stahlkäfer hervor, die den Boden zerwühlen<br />
und als Fontäne unter sich wegschleudern. Ein blauer<br />
Dunst liegt in der Luft – Ausdünstungen der Niederwelten...<br />
Die Ziele der Maschinen sind unbekannt. Die meisten der bekannten<br />
Menschmaschinen bewachen eine der alten Festungen<br />
und sind kaum eine Gefahr, solange man auf Distanz bleibt.<br />
Aber es gibt auch Wanderer unter ihnen, die die Umgegend<br />
zu patrouillieren scheinen und manchmal sogar Africaner in<br />
einer gutturalen Stimme ansprechen, bevor sie zum Angriff<br />
übergehen.<br />
In den vergangenen Jahren sind vermehrt leere Brustpanzer,<br />
Arm- oder Beinröhren ausgeweideter Menschmaschinen auf<br />
den Märkten aufgetaucht. Ihre Beständigkeit ist außergewöhnlich;<br />
sie geben hervorragende Rüstungen ab. Allerdings sind sie<br />
selten und daher für das normale Volk unerschwinglich. Doch<br />
so manch Neolibyer leistet sich gerne auf seinen Fahrten in<br />
fremde Gewässer diesen lohnenswerten Schutz. Kunstvoll bemalt<br />
sind die Panzerstücke eine wahre Pracht! Zu dumm, dass<br />
sich keine Vertiefungen für Rubin und Saphir bohren lassen.<br />
D E R S T O L Z A F R I C A S<br />
Seefahrer vergleichen die Hafenstädte des neuen Africas <strong>mit</strong><br />
wertvollen Schmuckstücken, besetzt von edlen Steinen und gefertigt<br />
von den Meistern der Kunst. Nach Wochen auf einem<br />
rostigen Kahn und drei Portionen Maniok-Brei am Tag sieht<br />
das jeder so, mag man meinen. Doch der Vergleich besteht<br />
auch im grellen Licht der Objektivität: Die Hafenanlagen sind<br />
herrschaftlich und vielerorts verschwenderisch <strong>mit</strong> Wasser-<br />
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