EINE GRENZE VERSCHWINDET - Instytut Spraw Publicznych
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138 Eine Grenze verschwindet<br />
Hier herrscht – wie mir scheint – eine größere Absicherung des Lebens.<br />
Sogar wenn jemandem im Leben nichts gelingt, er sich nicht bildet, keinen<br />
Unternehmergeist besitzt, dann wird er vom Staat trotzdem nicht vergessen<br />
und man hilft ihm. [15]<br />
Das gut ausgebaute Sozialsystem hat jedoch in den Augen der<br />
Migranten auch negative Auswirkungen auf die Bewohner der<br />
Grenzregion, da es inaktive und wenig ambitionierte Haltungen<br />
festigt sowie Passivität, das Akzeptieren der bestehenden Situation,<br />
die Einstellung „die Sache selbst nicht in die Hand zu nehmen” sowie<br />
die Erwartungshaltung gegenüber dem Staat begünstigt – dies trifft<br />
insbesondere auf die junge Generation zu.<br />
Alle gehen von hier weg, und es bleiben nur die zurück, die wahrscheinlich<br />
etwas hilfl os und unbeholfen sind, was das Leben angeht. Sie fürchten sich, in<br />
den Westen aufzubrechen. [18]<br />
Das Verhalten der Neuankömmlinge aus Polen stellt vor diesem<br />
Hintergrund einen starken Kontrast dar.<br />
Manchmal verhalten sie sich etwas seltsam gegenüber den Polen. Als ob sie<br />
fragen wollten: „Ihr wollt arbeiten? Reichen euch Sozialhilfe und Kindergeld<br />
nicht aus? Wozu wollt ihr neue Möbel kaufen?” [3]<br />
Polnische Bürger werden aktiv, gründen Firmen, investieren häufi g<br />
viel Mühe in die Renovierung ihrer Häuser und bemühen sich aktiv bei<br />
den lokalen Behörden um die Verbesserung der Infrastruktur.<br />
Die polnischen Einwanderer sind nicht passiv. Ihre Aktivität ist<br />
überdurchschnittlich, was zu Spannungen mit den Einheimischen führt, die<br />
Ruhe gewohnt sind. Die deutschen Behörden haben diese am Rande gelegenen<br />
Gebiete schon längst vergessen. Das Einrichten eines Telefonanschlusses bei<br />
mir auf dem Dorf hat mehr als zwei Monate gedauert. Die Deutschen sind an<br />
diese Standards schon gewöhnt. Polen hingegen werden ungeduldig, für die<br />
Deutschen ist das normal. [6]<br />
Mangelndes Wissen oder<br />
die Missachtung von<br />
kulturellen Mustern und<br />
Regeln des Zusammenlebens<br />
sind häufi ge Gründe für<br />
Missverständnisse zwischen<br />
Polen und Deutschen.<br />
Vor dem Hintergrund der relativ passiven<br />
Haltung der Bewohner erscheinen die polnischen<br />
Migranten besonders aktiv in Bezug auf die<br />
Organisation ihres Lebens in der neuen Umgebung,<br />
was gelegentlich als „Aufspielen” und als „zu<br />
fordernd” empfunden wird.