Forschungsplan - Deutsches Archäologisches Institut

Vielzahl von Techniken, methodischen Beobachtungen und kontrollierten
Hypothesen basieren.
Technische Innovationen und gesellschaftliche Strukturen bedingen sich gegenseitig.
So wie technische Innovationen jener sozialen Strukturen bedürfen,
durch die sie sich erst entfalten können, so verändern technische Innovationen
zugleich das Sozialgefüge einer Gesellschaft in z. T. grundlegender Weise. Die
Einrichtung von Forschungscluster 2 "Innovationen: technisch, sozial" stellt für
den Forschungsschwerpunkt der Eurasien-Abteilung eine erhebliche Bereicherung
für die Möglichkeiten zur interdisziplinären Vernetzung.
Der enge Zusammenhang von technischen Innovationen und sozialen Strukturen
ist besonders evident in der Entwicklung der bäuerlichen Lebensweise seit
dem 10. Jahrtausend v. Chr. im Fruchtbaren Halbmond und ihre Ausbreitung
seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. nach Westen und Osten. Es ist nach hunderttausenden
von Jahren, die der Mensch als Sammler und Jäger verbrachte, die
am stärksten erscheinende Zäsur. Die vermutlich unabhängig davon seit dem
8. Jt. v. Chr. entstehenden Bauernkulturen in China bieten hier ein geeignetes
Modell für vergleichende Studien.
Die Entwicklung und Ausbreitung der Kupfer- und dann der Bronzetechnik zwischen
dem 5. und 3. Jahrtausend v. Chr. bedeutete das Heraufziehen sozialer
Umbrüche, in denen periodisch die Herausbildung historisch neuer sozialer
Führungsgruppen zu beobachten ist. Insbesondere ab der Mitte des 4. Jahrtausends
wird im Wechselspiel mit den Zentren der Staatsentstehung im Niltal
und im Zweistromland auch in den "peripheren" Regionen eine neue Dynamik
entfaltet, die sich im archäologischen Sachgut niederschlägt. Insbesondere in
den rohstoffreichen Regionen, wie dem iranischen Plateau, ist von einem hohen
technischen Innovationspotential auszugehen. Die schnelle und weite
Verbreitung dieser Neuerungen wird durch eine weitere, nämlich die Pferdedomestikation
(vor dem dritten Jahrtausend v. Chr.) begünstigt: Der dadurch
erzielte Geschwindigkeitsfortschritt wurde erst im 19. Jahrhundert mit der Einführung
der Eisenbahn übertroffen. Die rasche Ausbreitung von Räderfahrzeugen
ebenfalls um 3500 v. Chr. eröffnete neue Transportmöglichkeiten für die
landwirtschaftliche Produktion und bald auch für den Krieg. Andere technische
Innovationen des späten vierten Jahrtausends v. Chr., wie die Schrift, verbreiteten
sich hingegen nicht in gleicher Weise, weil für diese Technik nur innerhalb
der frühen Staaten Mesopotamiens Bedarf bestand.
In älteren Modellvorstellungen, etwa dem Diffusionismus, spielte die Chronologie
archäologischer Erscheinungen insofern keine tragende Rolle, als alle
technischen Innovationen in den Zentren entwickelt und dann in die Peripherien
verbreitet worden sein mussten. Mit der Kalibration der Radiokohlenstoffdaten
und dem Aufbau typologieunabhängiger Chronologiegerüste haben sich
gerade für die Frage nach den Innovationszentren für bestimmte Techniken
und ihre Ausbreitung neue Perspektiven eröffnet. Dabei sind - wie im Falle der
Räderfahrzeuge - ältere Modellvorstellungen zu neueren, auf 14 C-Daten beruhenden
Hypothesen in Konflikt geraten, ohne dass bereits zu entscheiden wäre,
wo und wann das Rad „erfunden“ wurde.
Die Kalibration der Radiokohlenstoffdaten hat für das zehnte bis dritte vorchristliche
Jahrtausend erst die Grundlage zur zeitlichen Ordnung des Fundstoffs,
mithin seine historische Einordnung geschaffen. Da für eine Reihe von
geographischen Räumen noch überhaupt keine oder nur sehr wenige Radio-
Forschungsplan
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