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Verhandlungen des Europäischen Parlaments - Europa

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19-11-2008<br />

DE<br />

<strong>Verhandlungen</strong> <strong>des</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Parlaments</strong><br />

41<br />

Letzte Woche haben wir im <strong>Europäischen</strong> Parlament in Brüssel eine ganz besondere<br />

Gedenkfeier abgehalten – die wir gemeinsam mit dem <strong>Europäischen</strong> Jüdischen Kongress<br />

veranstaltet haben –, um <strong>des</strong> 70. Jahrestags der Reichspogromnacht zu gedenken. Bei dieser<br />

Gelegenheit habe ich darauf hingewiesen, dass wir in der <strong>Europäischen</strong> Union eine<br />

Verantwortung tragen und die Pflicht haben, uns absolut ohne Ausnahme oder ohne<br />

Beschwichtigung allen Formen von Extremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und<br />

Antisemitismus zu widersetzen und die Demokratie, den Schutz der Menschenrechte und<br />

der Menschenwürde weltweit zu verteidigen.<br />

Sehr verehrter Herr Großrabbiner, in Ihrem Buch – und damit darf ich zum Abschluss<br />

kommen – „The Dignity of Difference“, das ein Jahr nach den schrecklichen Ereignissen <strong>des</strong><br />

11. September 2001 geschrieben wurde, griffen Sie eine der wesentlichsten Fragen unserer<br />

Zeit auf: Können wir alle friedlich zusammen leben, und wenn ja, wie? Es ist jetzt eine<br />

große Freude und Ehre, Sie, den Großrabbiner der United Hebrew Congregations of the<br />

Commonwealth, zu bitten, zu uns zu sprechen.<br />

(Beifall)<br />

Sir Jonathan Sacks, Großrabbiner der United Hebrew Congregations of the Commonwealth.<br />

− Herr Präsident, verehrte Abgeordnete <strong>des</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Parlaments</strong>! Ich danke Ihnen für<br />

die Ehre, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen, und noch mehr danke ich Ihnen für diese<br />

wichtige Initiative <strong>des</strong> interkulturellen Dialogs. Ich grüße Sie alle, ganz besonders aber<br />

Ihren visionären, klugen und zutiefst humanen Präsidenten Hans-Gert Pöttering. Ich<br />

möchte – und das ist hoffentlich heute mein einziger Verstoß gegen die Trennung von<br />

Kirche und Staat, von Religion und Politik – dafür beten, dass Gott Sie alle und all Ihre<br />

Arbeit segnet. Ich danke Ihnen.<br />

Ich spreche als Jude aus der ältesten Kultur, die es seit jeher in <strong>Europa</strong> gibt. Zu Beginn<br />

möchte ich uns daran erinnern, dass die europäische Zivilisation vor 2 000 Jahren aus<br />

einem Dialog entstanden ist, in einem Dialog der beiden größten Kulturen <strong>des</strong> Altertums:<br />

dem alten Griechenland und dem biblischen Israel, Athen und Jerusalem. Sie wurden durch<br />

das Christentum zusammengebracht, <strong>des</strong>sen Religion ihren Ursprung in Israel hat, <strong>des</strong>sen<br />

heilige Schriften jedoch auf Griechisch abgefasst wurden, und das war der Gründungsdialog<br />

<strong>Europa</strong>s. Und einige der größten Momente der europäischen Geschichte in den seither<br />

vergangenen 2 000 Jahren waren das Ergebnis eines Dialogs. Ich möchte hier nur drei<br />

ansprechen.<br />

Der erste fand zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert in al-Andalus statt, in der von den<br />

Umayyaden in Spanien ausgelösten großen kulturellen Bewegung. Am Anfang stand ein<br />

islamischer Dialog von Denkern wie Averroës mit dem philosophischen Erbe von Platon<br />

und Aristoteles. Der islamische Dialog inspirierte jüdische Denker wie Moses Maimoni<strong>des</strong>,<br />

und der jüdische Dialog inspirierte wiederum christliche Denker, von denen<br />

Thomas von Aquin der Bekannteste war.<br />

Der zweite große Moment <strong>des</strong> interkulturellen Dialogs ereignete sich zu Beginn der<br />

italienischen Renaissance, als ein junger christlicher Intellektueller, Pico della Mirandola,<br />

nach Padua reiste und dort einen jüdischen Gelehrten, Rabbi Elijah Delmedigo, traf, der<br />

ihn die hebräische Bibel, den Talmud und die Kabbalah in der Originalsprache lehrte. Aus<br />

diesem Dialog ging mit Picos „Rede über die Würde <strong>des</strong> Menschen“ die berühmteste<br />

Darstellung der Werte der Renaissance hervor.

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