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Appenzell Ausserrhoden - ETH Zurich - Natural and Social Science ...

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Milchwirtschaft im <strong>Appenzell</strong>erl<strong>and</strong><br />

Welche Bedeutung das Vieh für die <strong>Appenzell</strong>er Bauern<br />

schon vor 300 Jahren hatte, erwähnt Schläpfer anh<strong>and</strong><br />

von Beschreibungen des 18. Jahrhunderts. Er zitiert den<br />

Pfarrer J.R. Steinmüller (Schläpfer, 1984, S. 19): «Nie<br />

braucht der Älpler Stock oder Peitsche gegen sein Vieh,<br />

seine Stimme leitet und regiert es, wohin er will. Nie wird<br />

er über sein Vieh fluchen, wohl aber nie beten, ohne sein<br />

Vieh in das Gebet einzuschliessen.»<br />

19. und 20. Jahrhundert – von staatlicher Unterstützung<br />

zur Alimentierung<br />

Bis 1850 war die Agrarkonjunktur eng mit der H<strong>and</strong>elskonjunktur<br />

gekoppelt und bestimmte das Wohlergehen<br />

der größtenteils im Textilgewerbe tätigen Bevölkerung.<br />

Auch zahlreiche Bauernfamilien nutzten die Nebenerwerbsmöglichkeiten,<br />

die sich hier durch Heimarbeit boten<br />

(Schläpfer, 1984). Dadurch war die L<strong>and</strong>wirtschaft für<br />

viele nicht mehr die einzige Lebensgrundlage und wurde<br />

daher möglicherweise weniger stark gefördert. Staatliche<br />

Infrastrukturen, die erst in dieser Zeit aufkamen, ermöglichten<br />

der auf Rindviehhaltung ausgerichteten L<strong>and</strong>wirtschaft,<br />

ab 1840 aus den herkömmlichen Strukturen auszubrechen.<br />

Nach 1860 erarbeiteten die Unternehmer Emanuel<br />

Meyer und Ulrich Zellweger Massnahmen zur Förderung<br />

der Viehzucht, des Alpwesens und der Käseherstellung.<br />

Dies bedeutete einen Umbruch in der L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />

Die Massnahmen wurden von den bäuerlichen<br />

Vereinen umgesetzt und von Bund und Kanton unterstützt.<br />

Es kam zu einer Verlagerung der Produktion von<br />

den relativ kleinen Alpweiden des <strong>Appenzell</strong>erl<strong>and</strong>es in<br />

die Dörfer. Um 1865 zeichnete sich ein Übergang von den<br />

Sennereibetrieben auf den Alpweiden zu Dorfkäsereien<br />

ab, die für den H<strong>and</strong>el produzierten. 1908 gab es bereits<br />

31 Dorfkäsereien, die sich ab 1946 auf das Markenprodukt<br />

<strong>Appenzell</strong>er Käse spezialisierten (Witschi, 2002).<br />

1896 schlossen sich die Schweizer Käsehändler im<br />

Verb<strong>and</strong> der Schweizer Käseexporteure zusammen. Für<br />

die Verbesserung der Qualität der Milchprodukte setzten<br />

sich der 1863 gegründete Schweizerische Alpwirtschaftliche<br />

Verein und der 1887 gegründete Schweizerische<br />

Milchwirtschaftliche Verein ein. Lokale Milchverwertungsgenossenschaften<br />

vereinigten sich zu regionalen<br />

Verbänden und schliesslich 1907 zum Zentralverb<strong>and</strong><br />

Schweizerischer Milchproduzenten (seit 1999 Schweizer<br />

Milchproduzenten SMP) (s. Kasten 1.1). Zur Bewältigung<br />

der Probleme im Ersten Weltkrieg schlossen sich Milchproduzenten<br />

und Käseh<strong>and</strong>el zusammen und gründeten<br />

gemeinsam mit dem Bundesrat die Käseunion und regionale<br />

Butterzentralen, aus denen später die Butyra entst<strong>and</strong>.<br />

Dadurch sollten die L<strong>and</strong>esversorgung mit elementaren<br />

Grundnahrungsmitteln gesichert und der H<strong>and</strong>el<br />

mit Käse gewährleistet werden. 1920 wurden die kriegswirtschaftlichen<br />

Massnahmen aufgehoben. Infolge Rückgangs<br />

des (im Krieg ausgedehnten) Ackerbaus und Importen<br />

von billigen Milchprodukten kam es zu einer Absatzkrise,<br />

die 1922 einen massiven Sturz des Milchpreises<br />

bewirkte. Wieder wurden die Verbände stark einbezogen,<br />

staatliche Beiträge zur Absatzförderung wurden vorübergehend<br />

gewährt. Ab den 1950er Jahren nahm die Milchproduktion<br />

infolge Verbesserungen der Viehzucht und<br />

Intensivierung der Bodennutzung so stark zu, dass wieder<br />

staatliche Absatzbeiträge nötig wurden. Dies führte 1977<br />

zur einzelbetrieblichen Kontingentierung der Milchproduktion.<br />

Dennoch stiegen die Verwertungskosten weiter<br />

an, so dass sie nun über 54% aller Bundesbeiträge an die<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft beanspruchten (Stadler, 2002).<br />

In der Zwischenkriegszeit hatte eine partielle Reagrarisierung<br />

eingesetzt. Die Möglichkeiten für einen Nebenerwerb<br />

sanken, eine Überalterung der Betriebsinhaber<br />

setzte ein und Zusammenlegungen der Betriebe wurden<br />

staatlich gefördert. Dies führte v.a. in der Nachkriegszeit<br />

in der ganzen Schweiz und in <strong>Appenzell</strong> <strong>Ausserrhoden</strong> zu<br />

einem Rückgang der Zahl der Bauernbetriebe (s. Abb.<br />

1.3): Zwischen 1939 und 1955 sank die Zahl der Betriebe<br />

in <strong>Ausserrhoden</strong> um 16%, zwischen 1955 und 1965 um<br />

weitere 20% und in den Jahren 1965 bis 1990 nahm die<br />

Zahl der Betriebe um 43% auf 1317 Betriebe (mit durchschnittlich<br />

27 Stück Vieh pro Betrieb) ab. In den letzten<br />

20 Jahren hat sich die Zahl der L<strong>and</strong>wirtschaftsbetriebe in<br />

den beiden <strong>Appenzell</strong>er Rhoden praktisch halbiert. In<br />

<strong>Ausserrhoden</strong> gibt es heute noch 929 bewirtschaftete Höfe,<br />

davon gelten 673 als Haupterwerbsbetriebe und 256<br />

als Nebenerwerbsbetriebe (pers. Mitteilung, D. Berger,<br />

Sekretär L<strong>and</strong>wirtschaftsdirektion AR, Sept. 2003;<br />

Schweizerischer Bauernverb<strong>and</strong>, 2002)<br />

In Ausserhoden betreiben 589 Betriebe Milchviehhaltung<br />

und liefern gesamthaft rund 45 Mio. kg Milch pro<br />

Jahr ab (2001); das entspricht rund 1.4% der gesamten<br />

Verkehrsmilchmenge der Schweiz. 3 Insgesamt 86 Käsereien<br />

in AR, SG und TG produzieren <strong>Appenzell</strong>er Käse,<br />

zehn davon liegen im Kanton <strong>Appenzell</strong> <strong>Ausserrhoden</strong>.<br />

Der grösste Abnehmer von Milch aus dem Kanton war bis<br />

2002 die SDF mit 12.7 Mio. kg (aus Unterlagen der<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsdirektion <strong>Appenzell</strong> <strong>Ausserrhoden</strong>, November<br />

2002). Durch deren Zusammenbruch gerieten die<br />

abhängigen Milchproduzenten in eine prekäre Absatzsituation,<br />

der mit der Schaffung eines Milchrings mit zentraler<br />

Aufgabe, neue Abnahmekanäle zu finden, vorerst<br />

erfolgreich begegnet werden konnte.<br />

3 Als Verkehrsmilch wir derjenige Anteil bezeichnet, der in die weiteren Verarbeitungs- und Verkaufskanäle ausserhalb der Bauernbetriebe gelangt.<br />

Von der im Jahre 2001 in der Schweiz produzierten Milchmenge von 3.959 Mio. Tonnen verblieben 735’000 Tonnen auf dem Hof, zum Eigenverbrauch<br />

oder zu Fütterungszwecken. Insgesamt wurden also 3.224 Mio. Tonnen Verkehrsmilch produziert.<br />

168 UNS-Fallstudie 2002

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