Appenzell Ausserrhoden - ETH Zurich - Natural and Social Science ...
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Welche Chancen haben Traditionsbranchen in der ländlich geprägten Agglomeration?<br />
3.3 Milchverarbeitungsbranche<br />
3.3.1 Branchenanalyse<br />
In der Schweiz wurden von 38'000 Betrieben im Jahr<br />
2000 knapp 3.9 Mio. Tonnen Milch produziert, wovon ca.<br />
3.2 Mio. Tonnen als sogenannte Verkehrsmilch in die<br />
Produktions- und Vermarktungskanäle unter <strong>and</strong>erem zu<br />
den 1'300 Schweizer Milchverarbeitungsbetrieben gelangten<br />
(Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft, 2002). Knapp<br />
45% der Verkehrsmilch wird der Käseproduktion zugeführt<br />
und zu rund einem Drittel im Ausl<strong>and</strong> abgesetzt. Die<br />
<strong>and</strong>eren 55% werden zu Konsummilch (Rohmilch, Past,<br />
UHT), Butter, Rahm und <strong>and</strong>eren Milchprodukten, v.a.<br />
Milchpulver weiterverarbeitet (s. Abb. 3.7). Es mag vielleicht<br />
erstaunen, dass die Traditionsbranche Käserei (im<br />
Vergleich zur Textilindustrie oder den Sägereien) relativ<br />
neu ist. In <strong>Appenzell</strong> <strong>Ausserrhoden</strong> wurde die erste Käserei,<br />
die eine Milchverarbeitung ausserhalb der Sennereien<br />
anbot, erst Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet (Witschi,<br />
2002).<br />
Abb. 3.7: Milchverwertung in der Schweiz 2001 (Weber-<br />
Eggenberger & Krütli, 2003).<br />
Der Schweizer Milchmarkt ist traditionell hochgradig<br />
subventioniert (Koch & Rieder, 2002). Die Schweizer<br />
Milchproduzenten erhielten im Jahr 2001 staatliche Zulagen<br />
und Beihilfen für die Milchverwertung im Umfang<br />
von 672 Mio. CHF, was im Durchschnitt pro Erzeuger einem<br />
Betrag von 17'000 CHF entspricht 4 . Der Milch-<br />
Produzenten-Preis liegt mit 0.80 CHF/kg etwa 0.30<br />
CHF/kg über dem EU-Marktpreis (2001). Durch verschiedene,<br />
etappierte Agrarreformen, in denen etwa Einfuhrbeschränkungen<br />
wegfallen oder Milchkontingente<br />
aufgehoben werden sollen (AP 2002, AP 2007), soll die<br />
Schweizer Milchwirtschaft international wettbewerbsfähig<br />
werden. Der anstehende Strukturw<strong>and</strong>el wird regional<br />
von Kantonen mit traditionell ländlicher Prägung wie <strong>Appenzell</strong><br />
<strong>Ausserrhoden</strong>, in denen über 5% der Beschäftigten<br />
als Milcherzeuger tätig sind, als Bedrohung begriffen.<br />
Die milchproduzierenden Bauern befinden sich im Dilemma,<br />
trotz Vergrösserung der Betriebe und Steigerung<br />
der Produktionseffizienz, weniger zu verdienen.<br />
Der Milchprodukte-Markt ist mehrheitlich stark gesättigt.<br />
Der Pro-Kopf-Konsum von Milch sank allgemein<br />
von 1980 bis 2000 um rund 26%, und die Produktion von<br />
Konsummilch ist in der Schweiz in den letzten 10 Jahren<br />
um 12% zurückgegangen (Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft,<br />
2002). Der Konsum von Butter und Rahm zeigte in den<br />
letzten 20 Jahren keine grösseren Schwankungen. Die Gesamtproduktion<br />
von Käse in der Schweiz ist innerhalb<br />
von 10 Jahren um 17.5% gestiegen, der Pro-Kopf-<br />
Konsum um 14.5%. In der gleichen Grössenordnung liegen<br />
die Veränderungen beim Milchpulver. Hier stieg die<br />
Produktion im selben Zeitraum um 13.8%, und die Exporte<br />
nahmen um 49.8% zu (Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft,<br />
2002). Die grösste Marktveränderung ist beim Joghurt<br />
zu verzeichnen, dessen Absatz in den letzten 20 Jahren<br />
um rund 130% gestiegen ist. Produkte wie Energy<br />
Drinks, Raclette und vor allem Bio-Erzeugnisse zeigen,<br />
dass sich auch in der Milchwirtschaft Innovation auszahlt.<br />
In <strong>Appenzell</strong> <strong>Ausserrhoden</strong> produzieren knapp 600 Betriebe<br />
etwa 45 Mio. kg Milch. Rund 42 Prozent (18.7<br />
Mio. kg) dieser Verkehrsmilch wird im Kanton weiterverarbeitet,<br />
davon rund 75% in kantonalen Käsereibetrieben,<br />
die mehrheitlich <strong>Appenzell</strong>er Käse produzieren (Weber-<br />
Eggenberger & Krütli, 2003). Zirka 18% besitzt Bio-<br />
Qualität und wird von gesamthaft 130 Bio-Betrieben geliefert<br />
(Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete,<br />
2002). Die kantonalen Grenzen sind aus der Sicht<br />
der Milchverarbeiter, nicht jedoch für die kantonale Wirtschaftspolitik<br />
und die Milchproduzenten unbedeutend.<br />
Ein bemerkenswertes Beispiel für ein erfolgreiches Regionalmarketing<br />
ist die Sortenorganisation <strong>Appenzell</strong>er<br />
Käse GmbH, der es gelang, das regionale Marktlabel <strong>Appenzell</strong>er<br />
Käse zu schützen. Gegenwärtig wird in 86 Käsereien<br />
in den Kantonen <strong>Appenzell</strong> <strong>Ausserrhoden</strong>, Thurgau<br />
und St. Gallen <strong>Appenzell</strong>er Käse produziert, der silofreie<br />
Milch voraussetzt und dessen Menge, Qualität und<br />
Vertrieb vollständig von der Sortenorganisation kontrolliert<br />
wird. An der gesamten Käseproduktion der Schweiz<br />
ist der geschützte Markenkäse <strong>Appenzell</strong>er mit rund 5<br />
Prozent vertreten. Am Käsexport nimmt er mit über 9%<br />
eine überdurchschnittliche Stellung ein (Treuh<strong>and</strong>stelle<br />
Milch, 2000). In <strong>Appenzell</strong> <strong>Ausserrhoden</strong> werden etwa<br />
1'190 Tonnen <strong>Appenzell</strong>er produziert. Dies entspricht zirka<br />
12 Prozent der gesamten <strong>Appenzell</strong>er-Produktion von<br />
8'800 Tonnen pro Jahr und benötigt rund 12.5 Mio. Liter<br />
Milch (Weber-Eggenberger & Krütli, 2003).<br />
4 http://www.milchstatistik.ch/<br />
32 UNS-Fallstudie 2002