Appenzell Ausserrhoden - ETH Zurich - Natural and Social Science ...
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<strong>Appenzell</strong>er Textilindustrie<br />
Die Aufgliederung der Erwerbstätigen auf die Produktion<br />
unterschiedlicher Stoffe (s. Abb. 1.4) zeigt diese<br />
Entwicklung eindrücklich. Seit dem Ende des neunzehnten<br />
Jahrhunderts sinken die Beschäftigtenzahlen in fast<br />
allen Bereichen. Die auf den Heimmarkt ausgerichtete<br />
Wollverarbeitung kann sich auf tiefem Niveau halten. Die<br />
Stickereiindustrie erlebt in dieser Zeit einen beispiellosen<br />
Boom und wird an der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert<br />
zur beschäftigungsintensivsten Branche. Dann folgt<br />
der jähe Niedergang, dem zwischen 1910 und 1940 neunzig<br />
Prozent der Arbeitsplätze zum Opfer fallen. In der<br />
Produktion und Verarbeitung der Baumwolle gehen bis<br />
1960 fünfzig Prozent, bei der Naturseide über achtzig<br />
Prozent aller Arbeitsplätze verloren (Bundesamt für Statistik,<br />
1999b).<br />
1.1.6 Aktuelle Entwicklung – die Frage nach der<br />
kritischen Grösse<br />
Der Abwärtstrend in der Textilwirtschaft hat sich auch in<br />
der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts fortgesetzt.<br />
Dies wird anh<strong>and</strong> der Entwicklung bei den Beschäftigtenzahlen<br />
deutlich (s. Abb. 1.5). Bis 1985 ging die<br />
Gesamtzahl der Beschäftigten in der Schweizerischen<br />
Textil- und Bekleidungsindustrie auf rund 60’000 zurück<br />
und verminderte sich bis zum Jahr 2001 auf rund 21’000,<br />
in 15 Jahren ein Minus von 65%. In <strong>Appenzell</strong> <strong>Ausserrhoden</strong><br />
sieht die Entwicklung auf tieferem Niveau ähnlich<br />
aus. 2001 gab es in <strong>Ausserrhoden</strong> noch 1353 Textilindustrie-Beschäftigte,<br />
was einem Rückgang von 35% gegenüber<br />
1985 entspricht (Quellen: Daten CH 1991-2001;<br />
Bundesamt für Statistik, 2003b; Daten 1985 und Daten<br />
AR, Mitteilung BfS, K. Wüthrich, auf Anfrage 10. Juni<br />
2003). Damit spielt die Textilwirtschaft mit ca. 6.5% aller<br />
Ausserrhoder Beschäftigten immer noch eine bedeutende<br />
Rolle, wogegen die Bedeutung gesamtschweizerisch mit<br />
einem Anteil von knapp 0.6% am gesamten Beschäftigungsvolumen<br />
eher marginal ist (Bundesamt für Statistik,<br />
2001c).<br />
Ein etwas <strong>and</strong>eres Bild zeigt der Blick auf die Umsatzzahlen.<br />
Obschon auch die Gesamtumsätze der Textil- und<br />
Bekleidungsindustrie im Vergleichszeitraum ebenfalls<br />
stark zurückgegangen sind, ist doch der prozentuale<br />
Rückgang von rund 20% gegenüber den Beschäftigtenzahlen<br />
markant tiefer (s. Abb. 1.6). Allerdings fällt auf,<br />
dass die Umsätze über eine ganze Dekade stabil geblieben<br />
sind (1990-2000). Ein starkes Minus gegenüber dem Referenzwert<br />
1985 verzeichnet die Textilindustrie, wogegen<br />
die Bekleidungsindustrie zugelegt hat, das Minus über<br />
den gesamten Zeitraum betrachtet aber nicht kompensieren<br />
konnte. Das lässt den Schluss zu, dass die Textilindustrie<br />
in den vergangenen Jahrzehnten markant restrukturiert<br />
hat (Abbau von Arbeitsplätzen und gleichzeitig<br />
Umsatzrückgang) – und dennoch an Bedeutung verloren<br />
hat (Datenquelle: Textilverb<strong>and</strong> Schweiz, R. Langenegger,<br />
auf Anfrage 7. Juli 2003). Es stellt sich folglich die<br />
Frage nach der kritischen Grösse: ab welchem Umsatzvolumen<br />
werden das Netz an Zulieferern, Abnehmern<br />
soweit ausgedünnt, die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
nicht mehr vorh<strong>and</strong>en sein, dass die Branche in der<br />
Schweiz insgesamt zusammenbricht – womit unweigerlich<br />
auch die <strong>Appenzell</strong>er Betriebe betroffen wären – und<br />
auch innovative und auf dem Markt erfolgreiche Unternehmen<br />
strukturbedingt kaum mehr eine Chance haben, in<br />
der Schweiz zu produzieren?<br />
Abb. 1.4: Anzahl Erwerbstätige in der<br />
Textilindustrie nach Subbranchen im<br />
zeitlichen Verlauf 1880 bis 1960<br />
(Quelle: Bundesamt für Statistik,<br />
1999b).<br />
50 UNS-Fallstudie 2002