Appenzell Ausserrhoden - ETH Zurich - Natural and Social Science ...
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Welche Chancen haben Traditionsbranchen in der ländlich geprägten Agglomeration?<br />
Entwicklungsländer ist dieser Trend in Zentraleuropa besonders<br />
spürbar. Trotzdem bleibt der ländliche Raum in<br />
Europa für spezielle, arbeitsintensive, dienstleistungsähnliche<br />
Spezialindustrien im KMU Bereich ein bevorzugter<br />
Platz. Ein wichtiger Punkt ist dabei, dass «der ländliche<br />
Raum ein besonderes sozio-ökonomisches Gebilde ist, in<br />
dem selbständiges Unternehmertum, kleine Familienbetriebe,<br />
Mehrfachbeschäftigung, Beschäftigungsflexibilität<br />
und der Kontakt zur Natur dominieren» (Rural Europe,<br />
1997, S. 1). Ein historisches Beispiel für dieses – für bestimmte<br />
sozio-ökonomische Aufgaben prädestinierte –<br />
Gebilde waren die <strong>Appenzell</strong>er Bauern des 18. und 19.<br />
Jahrhunderts, die zu einem grossen Teil zugleich als Subunternehmer<br />
tätig waren oder im Nebenerwerb Webstühle<br />
und Stickmaschinen besassen und bedienten: «Tausende<br />
von Webstühlen in Kellern, von Spulrädern und<br />
Stickrahmen in Wohnstuben machten das L<strong>and</strong> zu einer<br />
einzigen Fabrik» (Tanner, 1982, S. 1). Auch wenn absolut<br />
und relativ die Beschäftigungszahlen im industriellen Bereich<br />
zurückgehen, so möchten wir dennoch Aussagen<br />
wie «<strong>Ausserrhoden</strong> lebt die Entwicklung vom meistindustrialisierten<br />
Kanton zum modernen Dienstleistungsstaat.»<br />
2 hinterfragen und die Gegenhypothese aufstellen,<br />
dass die industrielle Produktion im ländlich geprägten<br />
Raum in den europäischen Agglomerationen auch im 21.<br />
Jahrhundert ein wichtiger Faktor darstellen wird.<br />
Die These von der De-Industrialisierung der ehemaligen<br />
mitteleuropäischen Industriestaaten wird in der<br />
Schweiz beispielsweise durch die Uhrenindustrie widerlegt:<br />
«Die Uhrenindustrie hat die Krise Mitte der 1970-er<br />
Jahre längst überwunden. Seit gut zehn Jahren wächst die<br />
Uhren- und Mikrotechnikindustrie unaufhaltsam an. 2001<br />
zählte sie etwas über 40'000 Beschäftigte, die höchste<br />
Zahl seit 1982. Im Jahr 2000 sind erstmals für mehr als 10<br />
Mia. CHF Uhren exportiert worden» (SMUV, 2003). Dabei<br />
befindet sich ein grosser Teil der Produktionsstätten<br />
im ländlichen Raum. Analoges gilt zum Beispiel für den<br />
Vorarlberg, wo im Jahre 1996 der damalige L<strong>and</strong>hauptmann<br />
festgehalten hat: «Vorarlberg soll, muss und wird<br />
ein international konkurrenzfähiger Industriest<strong>and</strong>ort<br />
bleiben. Das ist unser Ziel und unsere Herausforderung<br />
und dafür strengen wir uns an.» (Purtscher,<br />
1996). Ebenfalls im Zürcher Oberl<strong>and</strong> hat man erkannt,<br />
dass die traditionelle Rolle als Industriest<strong>and</strong>ort auch in<br />
Zukunft genutzt werden muss, und mit der Ansiedlung<br />
von 600 Arbeitsplätzen in den letzten vier Jahren in Rüti<br />
wurde gezeigt, dass diese Strategie durchaus erfolgversprechend<br />
ist (Neuhaus, 2003). Diese Beispiele weisen<br />
darauf hin, dass insbesondere innovative Industriezweige<br />
mit ihren Produktionsst<strong>and</strong>orten auch weiterhin eine<br />
wichtige Rolle in ländlichen Regionen spielen können.<br />
1.3 «Blutet der ländliche Raum aus?»<br />
In vielen Ländern wird besorgt über die Entleerung und<br />
den «brain drain» des ländlichen Raums diskutiert. Auch<br />
für Deutschl<strong>and</strong> und Mitteleuropa trifft man wiederholt<br />
auf Fragen wie «Blutet der ländliche Raum aus?»<br />
(Badische Zeitung, 2003) oder Aussagen wie «9 von 10<br />
Abiturienten verlassen den ländlichen Raum und kommen<br />
nie wieder» (Quasten, 1995). Ein Ziel des vorliegenden<br />
Berichts ist, diese Aussagen im Zusammenhang mit der<br />
obigen «De-Industrialisierungs-Hypothese» zu diskutieren.<br />
Dabei verstehen wir unter ländlich geprägtem Raum<br />
diejenigen Bereiche ausserhalb der Stadt und städtischer<br />
Agglomerationen, die funktional nicht oder jedenfalls in<br />
nur geringem Umfang mit der Kernstadt verknüpft sind<br />
Abb. 1.4: Blick von Heiden auf die Bodenseeregion<br />
Rorschach-Arbon-Romanshorn,<br />
die nördlichen Ausläufer der Agglomeration<br />
St. Gallen.<br />
2 http://www.appenzellerl<strong>and</strong>.ch/default.asp?MNR=14<br />
UNS-Fallstudie 2002 17