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Appenzell Ausserrhoden - ETH Zurich - Natural and Social Science ...

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Milchwirtschaft im <strong>Appenzell</strong>erl<strong>and</strong><br />

1984). Auch heute noch setzt der Tourismus in der Gegend<br />

auf die Tradition. Das Image von ursprünglicher<br />

Natürlichkeit verbunden mit gelebtem Brauchtum soll BesucherInnen<br />

ein Stück heile Welt erleben lassen. Dabei ist<br />

die Tradition vielfach eng verwurzelt und nicht bloss<br />

Mittel zum Zweck; davon konnte sich das Studienteam<br />

mehrfach selbst überzeugen.<br />

Von einer langen Tradition lebt auch der <strong>Appenzell</strong>er<br />

Käse. Der Name ist weitum bekannt und wird mit einem<br />

erstklassigen Produkt verbunden. Die hohe Qualität des<br />

Käses kann den hohen Preis des Produktes rechtfertigen.<br />

Der Schutz der Wortmarke bringt viele Vorteile: keine<br />

Unbefugten können <strong>Appenzell</strong>er Käse herstellen und dabei<br />

die Preise drücken oder durch schlechtere Qualität den<br />

Namen entwerten. Hier hat die Sortenorganisation die<br />

Oberaufsicht und kontrolliert die Qualität (pers. Mitteilung,<br />

M. Böbner).<br />

Gerade jedoch die Sortenorganisation SO stellt auch eine<br />

grosse Herausforderung dar. Durch ihre Dominanz im<br />

Produktionssystem des <strong>Appenzell</strong>ers verhindert sie oft Innovationen.<br />

Nebst der Qualität bestimmt die SO auch die<br />

Produktionsmenge und legt den H<strong>and</strong>elspreis fest. Das<br />

führt bisweilen dazu, dass die Käser ihr Kontingent nicht<br />

ausschöpfen und somit eine ungenügende Auslastung erreichen.<br />

Es kann jedoch schnell auf veränderte<br />

Marktnachfrage reagiert werden; Überproduktion und<br />

damit Preiszerfall kann damit effizient begegnet werden.<br />

Neue Sorten von <strong>Appenzell</strong>er können schwerlich lanciert<br />

werden. So wurde beispielsweise der Bio-<strong>Appenzell</strong>er erst<br />

mit einiger zeitlicher Verzögerung lanciert. Ein <strong>Appenzell</strong>er<br />

Weich- oder Frischkäse ist im Moment nicht in<br />

Sicht, obwohl dieses Segment in den letzten Jahren stark<br />

zugelegt hat (s. Kap. 3.1).<br />

Die dezentrale Lage der relativ kleinen Betriebe trägt<br />

zwar viel zur Siedlungsqualität bei, ist aber vom ökonomischen<br />

St<strong>and</strong>punkt aus gesehen negativ, da die Betriebe<br />

dadurch weniger flexibel sind.<br />

Chancen für die <strong>Appenzell</strong>er Milchwirtschaft bietet der<br />

erleichterte Export von Käse in den EU-Raum dank der<br />

bilateralen Verträge (s. Kap. 1.1.3) und die vermehrte<br />

Nachfrage nach Bio-Produkten. Das hügelige Voralpengebiet<br />

ist von der Topographie her geradezu prädestiniert<br />

für Bio-Produktion. So hat beispielsweise das Bündnerl<strong>and</strong><br />

bereits heute einen Bio-Anteil von über 47% der abgelieferten<br />

Milchmenge (pers. Mitteilung, Walter Marchion,<br />

Amt für L<strong>and</strong>wirtschaft, Strukturverbesserungen<br />

und Vermessung GR, 8. September 2003). 6 Allerdings erschweren<br />

die Düngerbilanzen in <strong>Ausserrhoden</strong> (Schweinemast,<br />

Schottenverwertung, Futtermittelzukauf) die Umstellung<br />

auf Bio-L<strong>and</strong>bau.<br />

Andererseits dürften die SchweizerInnen durch den erleichterten<br />

Import von Käse aus dem EU-Raum inskünftig<br />

mehr vom günstigeren, ausländischen (Weich-)Käse verzehren.<br />

Die Produktionspreise im EU-Raum sind deutlich<br />

niedriger und auch die Verarbeitung ist weniger kostenintensiv.<br />

Ein Produkt wie der <strong>Appenzell</strong>er Käse braucht<br />

gute Argumente, weshalb die KonsumentInnen den teuren<br />

Käse einem günstigeren vorziehen sollen. Unter <strong>and</strong>erem<br />

aufgrund dieser Konkurrenzsituation wird die Milchwirtschaft<br />

von Banken und Versicherungen als risikobehaftet<br />

angesehen. Es ist daher für Milchverarbeiter sehr schwierig,<br />

Kredite zu erhalten (pers. Mitteilung, M. Bösch,<br />

FWR-HSG, St. Gallen).<br />

3.4.3 Systemgrössen und Einflussfaktoren<br />

Ein zentraler Schritt der formativen Szenarioanalyse ist<br />

das Finden und Definieren von adäquaten Kenngrössen,<br />

die unser System hinreichend beschreiben. Es muss darauf<br />

geachtet werden, dass im Hinblick auf die Konstruktion<br />

von Varianten und Szenarien die Zahl der Beschreibungselemente<br />

klein genug ist (10 bis 12 Elemente haben<br />

sich als Richtgrösse etabliert). Zudem müssen im Hinblick<br />

auf die Bewertung der Varianten nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten<br />

die drei Aspekte Ökologie, Ökonomie<br />

und Soziales angemessen berücksichtigt werden.<br />

Damit geklärt werden kann, wo das System steuerbar ist,<br />

wurden die Kenngrössen in interne Systemgrössen und<br />

externe Einflussfaktoren aufgesplittet. Dabei wird davon<br />

ausgegangen, dass die Systemgrössen von den Akteuren<br />

direkt beeinflusst werden können. Mit diesen Elementen<br />

werden später die Varianten konstruiert. Die Einflussfaktoren<br />

bilden die Szenarien und beschreiben die von aussen<br />

auf das System wirkenden Kräfte, das Systemumfeld.<br />

Systemgrössen<br />

Die Systemgrössen beschreiben das System innerhalb der<br />

Systemgrenzen (s. oben). Es h<strong>and</strong>elt sich um Kenngrössen,<br />

die von den Akteuren der Milchverarbeitungsbetriebe<br />

aktiv veränderbar sind (... was muss getan werden,<br />

dass der Milchverarbeitungszweig im <strong>Appenzell</strong>erl<strong>and</strong> in<br />

20 Jahren ...). Mit den Systemgrössen werden nachfolgend<br />

die Varianten konstruiert. Ingesamt wurden acht<br />

Systemgrössen definiert (s. Tab. 3.4).<br />

Einflussfaktoren<br />

Die Einflussfaktoren beschreiben das Systemumfeld. Sie<br />

wirken von aussen auf den Milchverarbeitungszweig im<br />

6<br />

Im Kanton Graubünden produziert die Hälfte aller Direktzahlungen berechtigter Betriebe nach biologischen Richtlinien. In Graubünden gibt es traditionell<br />

viele ertragsschwache Flächen und genügend ökologische Ausgleichsflächen. Zudem bieten die topographischen und klimatischen Voraussetzungen<br />

kaum Möglichkeiten zu intensiver L<strong>and</strong>wirtschaft, wie sie beispielsweise im Schweizer Mittell<strong>and</strong> gegeben sind. Hinzu kommt, dass<br />

die Umstellung auf Bio-L<strong>and</strong>wirtschaft seitens des Kantons bereits zu Beginn der 1990er Jahre stark gefördert wurde.<br />

UNS-Fallstudie 2002 197

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