Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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vermittelt scheinbar des Öfteren in Fällen, in denen Kinder das Kinderheim dem Elterhaus<br />
vorziehen, da dieses ihnen oft weder Freiheit noch Freizeit ließe. 454<br />
Fälle dieser Art kamen in den Gesprächen wesentlich häufiger zur Sprache als ein massives<br />
‚Abrutschen’ von Kindern oder Jugendlichen mit vietnamesischem Migrationshintergrund in<br />
die Drogenabhängigkeit oder die Delinquenz, wenngleich auch solche Fälle existieren. 455<br />
Bezüglich der Kinder vietnamesischer Vertragsarbeiter in Berlin lässt sich zur Häufigkeit<br />
solcher Fälle kaum eine repräsentative <strong>Aus</strong>sage machen. Im Falle Rostocks jedoch kennt der<br />
dortige Experte eigenen Angaben zufolge alle circa 430 vietnamesisch-stämmigen Kinder und<br />
Jugendlichen. Von diesen sind ihm nicht mehr als vier Fälle bekannt, in denen Jugendliche<br />
auf die ‚schiefe Bahn’ gerieten, also Drogen 456 konsumierten oder, in <strong>einem</strong> Fall, Anführer<br />
einer deutschen Clique so genannter ‚Babyskins’ wurden, die anderen Jugendlichen<br />
auflauerten und sie überfielen. 457<br />
Dass die in der Regel hohen Erwartungen der vietnamesischen Eltern an ihre hier<br />
aufwachsenden Kinder wie im Falle der Boat People sehr gute schulische Leistungen mit<br />
einschließen, deutete sich bereits an. Ein beachtlicher Leistungsdruck aufgrund dieser<br />
Erwartungen scheint den Schilderungen der Interviewpartner zufolge geradezu<br />
‚symptomatisch’ für die <strong>unter</strong>suchte Gruppe von Kindern und Jugendlichen zu sein. 458 Die<br />
Gründe hierfür sehen sie neben dem hohen konfuzianischen Wert der Bildung, der <strong>unter</strong><br />
Asiaten im Rahmen einer guten Erziehung unbedingt vermittelt werden müsse, und dem<br />
Streben nach sozialem Aufstieg auch im damit verbundenen Bewusstsein der Eltern, alles für<br />
die <strong>Aus</strong>bildung ihrer Kinder opfern zu müssen:<br />
„ […] ‚aber die Kinder’, sagen sie, ‚wir haben alles gemacht und getan, damit ihr jetzt lernen könnt, und jetzt<br />
verlangen wir, dass ihr auch endlich mal lernt! Und was wir hier machen, 10 Stunden am Tag arbeiten: alles nur<br />
für euch. Und wenn ihr das nicht bringt, dann gibt’s Haue!’ Und sie sind ja auch so überzeugt davon, dass sie<br />
sagen: ‚Nö, es gibt keinen anderen Weg.’“ 459<br />
Auch wenn sie kaum Deutsch sprechen und durch ihre Arbeit wenig Zeit haben, sind die<br />
Eltern in der Regel sehr genau über die schulischen Leistungen ihrer Kinder informiert. 460<br />
454<br />
Vgl. Interview 2.<br />
455<br />
Vgl. Interviews 1, 4, 5.<br />
456<br />
In diesem Falle allerdings nur so genannte ‚weiche’ Drogen, während in Berlin eher harte Drogen das<br />
Problem zu sein scheinen.<br />
457<br />
Vgl. Interview 5. Offenbar sind solche Gruppierungen aufgrund ihres jungen Alters noch nicht ideologisch<br />
festgelegt wie die in der Regel aus älteren Jugendlichen bestehenden ‚Skindhead’-Gruppen.<br />
458<br />
Vgl. Interviews 1, 2, 3, 4, 5, 7, außerdem Mai 2003 in: http://www.taz.de/pt/2003/08/13/a0189.nf/text.<br />
459<br />
Interview 5.<br />
460<br />
Vgl. Interview 2.<br />
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