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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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stünden in den Augen der Migranten ohnehin Dolmetscher zur Verfügung - wenn nicht die in<br />

der Regel kostenfreien Angebote der Vereine, dann professionelle Sprachmittler, für die <strong>unter</strong><br />

den vietnamesischen Migranten offenbar sehr viel Geld ausgegeben wird. 419 Nun lässt sich<br />

der offenkundig weit verbreitete Motivationsmangel, Deutsch zu lernen, aber mindestens<br />

ebenso gut als Symptom wie als Ursache der gesellschaftlichen Isoliertheit der<br />

vietnamesischen Migranten deuten, wie der folgende, sich aus den bisherigen Informationen<br />

über das Leben der ehemaligen Vertragsarbeiter ergebende Teufelskreis verdeutlicht: Die<br />

‚Isolation als Programm’ während des Bestehens der DDR, dessen Bestandteil auch staatlich<br />

gering gehaltene Sprachkenntnisse waren, führte zu <strong>einem</strong> engen Zusammenhalt der<br />

vietnamesischen Migranten, dieser wurde fortgesetzt und verstärkt durch die politischen<br />

Bedingungen während und nach der Wende und nicht zuletzt durch die einschneidenden<br />

Rassismuserfahrungen; daraus entwickelte sich ein Leben in einer weitgehend autarken<br />

sozialen und ökonomischen Migranten-Infrastruktur, in der die deutsche Sprache so gut wie<br />

keine Rolle spielt, wodurch die Isolation weiter verstärkt und die Sprachbarriere zementiert<br />

wurde. Natürlich soll hiermit nicht impliziert werden, die vietnamesischen Migranten seien<br />

dieser Sprachbarriere hilflos ausgeliefert. Wer dies möchte, kann jederzeit Deutsch lernen,<br />

sogar in kostenfreien Sprachkursen der Vereine. 420 Trotzdem stellt besagter Teufelskreis den<br />

klassischen Vorwurf der ‚Integrationsträgheit’, hier in Form der Trägheit, Deutsch zu lernen,<br />

infrage zugunsten folgender Überlegung: Offensichtlich bietet das Leben der Mehrheit der<br />

vietnamesischen Migranten nicht ausreichend Anreize, die hiesige Landessprache zu erlernen,<br />

die Isolation zur dortigen Mehrheitsgesellschaft zu durchbrechen.<br />

Eine Ursache dieses Phänomens liegt sicherlich in den bereits ausführlich beschriebenen<br />

historischen und ausländerrechtlichen Bedingungen der Vertragsarbeiter in der DDR und seit<br />

der Wende, die deutlich gemacht haben dürften, dass es weder im Interesse der DDR noch der<br />

Bundesrepublik lag, ihnen und ihren Familien ein dauerhaftes Leben in Deutschland zu<br />

ermöglichen. Die spontane <strong>Aus</strong>sage eines ehemaligen Boat People -Flüchtlings, der <strong>einem</strong> der<br />

Interviews als Zuhörer beisaß, <strong>unter</strong>streicht dies:<br />

„Der Wunsch zur Integration spielt auch eine große Rolle. Als ich hierher kam, war ich nur 20 Jahre alt, […]<br />

bekam sofort ein Bleiberecht, und dann, ich akzeptierte sofort: Meine Zukunft ist hier. Hier ist meine zweite<br />

Heimat. Und deswegen: Mein Integrationswunsch war unbedingt groß. Aber bei der Wende waren unsere<br />

Landsleute im Osten in einer zweifelhaften Situation: Sie wussten nicht, ob sie hier bleiben dürfen oder im<br />

419 Vgl. Interview 2.<br />

420 Vgl. Interview 8.<br />

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