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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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Ihren Erwartungen an die schulischen Leistungen der Kinder scheinen die Eltern zum Teil<br />

mithilfe drastischer Methoden Nachdruck zu verleihen. Oben kam bereits die Strafmaßnahme<br />

der körperlichen Züchtigung zur Sprache 467 , doch auch die Anwendung psychischer<br />

Druckmittel ist nicht selten, wie im Fall eines Mädchens, dem die Mutter androhte, sie müsse<br />

Toilettenwasser <strong>trinken</strong>, wenn sich ihre Leistungen nicht besserten. Der Fall wurde dem<br />

Jugendamt durch den Anruf eines Lehrers bekannt, der aufgrund der Verängstigung des<br />

Mädchens aufhörte, diesem Zensuren mit nach Hause zu geben - im Fach Deutsch hätte es<br />

lediglich für eine ‚Drei’ oder eine ‚Vier’ gereicht. 468 Manchmal sind die Kinder nicht die<br />

einzigen Leidtragenden eines solchen Leistungsdrucks, wie am Beispiel einer Vietnamesin<br />

deutlich wird, das ebenfalls kein Einzelfall zu sein scheint: Die in Vietnam zur Lehrerin<br />

ausgebildete Frau heiratete in Deutschland einen vietnamesischen Vater zweier Kinder und<br />

bekam mit ihm noch ein eigenes Kind. Offenbar wurde sie regelmäßig geschlagen, wenn<br />

dieses Kind <strong>unter</strong> ihrer Aufsicht nicht sehr gute schulische Leistungen erzielte. 469 Dass der auf<br />

die Mutter ausgeübte Druck sich dann am schwächsten Glied der Familie umso stärker<br />

entlädt, ist nur allzu gut vorstellbar. Natürlich muss auch hier noch einmal daran erinnert<br />

werden, dass Fälle dieser Art überhaupt erst aufgrund ihrer Härte das Jugendamt erreichen.<br />

Was die Reaktionen der Kinder auf den elterlichen Leistungsdruck anbetrifft, so lässt<br />

sich zunächst konstatieren, dass diese den durch die Eltern vermittelten Wert der Bildung in<br />

erstaunlichem Maße zu verinnerlichen scheinen. Lehrer loben beispielsweise neben ihrem<br />

höflichen Auftreten häufig auch ausdrücklich ihren großen Arbeitseifer und ihre ausgeprägte<br />

Leistungsorientierung. 470 Auch eigene Eindrücke scheinen dieses Phänomen zu bestätigen.<br />

Während eines kurzen Gesprächs vor Beginn des Vietnamesisch-Unterrichts eines Vereins<br />

fiel beispielsweise auf, dass eine Gruppe etwa zwölf bis vierzehn Jahre alter Mädchen nach<br />

relativ kurzer Zeit und scheinbar voller Anerkennung darauf hinwies, wer die Klassenbeste<br />

<strong>unter</strong> ihnen sei. Sie rieten dazu, in einer der vorderen Reihen Platz zu nehmen, da die hinten<br />

sitzenden Teilnehmer „schlechte“ Schüler seien. Angesichts der von deutschen Schülern<br />

bekannten Missbilligung so genannter ‚Streber’ erschien ein solches Verhalten äußerst<br />

ungewöhnlich. 471 Auch im Gespräch mit der 22-jährigen Leiterin einer vietnamesischen<br />

Mädchentanzgruppe schien ein stark internalisierter Leistungsanspruch deutlich zu werden:<br />

467 Vgl. Interviews 1, 2, 5.<br />

468 Vgl. Interview 2.<br />

469 Vgl. ebenda.<br />

470 Vgl. Mai 2003 in: http://www.taz.de/pt/2003/08/13/a0189.nf/text, Interviews 1, 2, 5, 7, 8.<br />

471 Besuch des Vietnamesisch-Unterrichts des Vereins Reistrommel e.V. in Berlin-Lichtenberg am 30.10.2004.<br />

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