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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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die Vietnamesen mit insgesamt circa 60.000 und damit 66 Prozent den höchsten Anteil der<br />

Vertragsarbeitnehmer in der DDR. 20<br />

Auch Vietnam hatte großes Interesse an der Entsendung von Arbeitskräften ins <strong>Aus</strong>land:<br />

Nach Kriegsende war die wirtschaftliche Lage denkbar schwierig. Die ohnehin sehr hohe<br />

Arbeitslosigkeit 21 wurde durch die Demobilisierung der Soldaten weiter erhöht. 22 Von 1976<br />

bis 1989 wuchs die Bevölkerung von 49 Millionen auf 64 Millionen Menschen an, das freie<br />

Arbeitskräftepotential nahm entsprechend zu. 23 Die Vertragsarbeiter konnten den<br />

vietnamesischen Arbeitsmarkt entlasten und wurden zudem noch in industriellen<br />

Arbeitsmethoden ausgebildet, ob mit oder ohne Zertifikat. Zudem erhöhte sich durch die<br />

Arbeit im <strong>Aus</strong>land das Einkommen eines Teils der Arbeiterschaft, das Land erhielt Devisen 24<br />

für den vietnamesischen Staatshaushalt ohne wesentliche Investitionen. 25<br />

Auch für die vietnamesischen Bewerber persönlich war der Arbeitsaufenthalt in der DDR ein<br />

sehr begehrtes Ziel, da er den Lebens<strong>unter</strong>halt der Familie in Vietnam und die eigene Zukunft<br />

sicherte. 26 Vor allem vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Reformpolitik Vietnams (Doi<br />

Moi) ab der Mitte der 80er Jahre bot er die Chance, finanzielle und materielle Grundlagen für<br />

die berufliche Selbständigkeit in Vietnam nach der Rückkehr zu schaffen. 27 Die<br />

Voraussetzungen einer Bewerbung als Vertragsarbeitnehmer waren relativ hoch: Dazu<br />

gehörten <strong>unter</strong> anderem ein Empfehlungsschreiben des delegierenden Betriebes und eine<br />

umfassende Verpflichtungserklärung des Bewerbers 28 . BewerberInnen hatten in der Regel<br />

20<br />

Vgl. Marburger 1993: 12. Weitere Vertragsarbeiter-Gruppen Ende der 80er: Mosambikaner 17%, Kubaner und<br />

Polen 6-7%, Angolaner, Mongolen, Chinesen, Rumänen, Bulgaren jeweils <strong>unter</strong> 1%. Gründe für den massiven<br />

Anstieg der Anwerbung vietnamesischer Arbeitskräfte Mitte bis Ende der 80er Jahre waren neben der<br />

zunehmend schlechten Versorgungslage durch Arbeitskräftemangel auch die politischen Ereignisse in Polen und<br />

Ungarn: Von den „Abweichlerstaaten“ nahm die DDR zunehmend Abstand und warb nun verstärkt<br />

ArbeitnehmerInnen aus sozialistisch orientierten Entwicklungsländern an, also vor allem aus Mosambik und<br />

Angola, hauptsächlich aber aus Vietnam. Siehe hierzu Krebs 1999: 7.<br />

21<br />

nach vietnamesischen Angaben waren im Jahr 1989 über sechs Millionen Vietnamesen arbeitslos oder nur<br />

zeitweise beschäftigt, also 10% der Gesamtbevölkerung. Wahrscheinlich war die Nichtbeschäftigung jedoch viel<br />

höher, als die offiziellen Daten glauben machen. Siehe hierzu Fritsche 1991: 17.<br />

22<br />

Vgl. Raendchen 2000: 6.<br />

23<br />

Vgl. Fritsche 1993: 15.<br />

24<br />

Unter anderem durch die Verpflichtung der Arbeiter, 12% des in der DDR erwirtschafteten Einkommens an<br />

die Regierung in Hanoi abzuführen. Hierzu und zu weiteren aus der DDR bezogenen finanziellen Leistungen<br />

(Kindergeldzahlungen, <strong>Aus</strong>gleichsleistungen aus den Beiträgen der vietnamesischen Arbeiter zur<br />

Sozialversicherung) siehe Fritsche 1991: 17.<br />

25<br />

Vgl. Fritsche 1991: 13-14. Trotz der relativ geringen Zahl der Vertragsarbeiter in Osteuropa trugen diese<br />

beachtlich dazu bei, den vietnamesischen Staatshaushalt zu stabilisieren. Siehe hierzu Fritsche 1993: 49.<br />

26<br />

Nach einer Schätzung des Wirtschaftsberaters der ehemaligen DDR-Regierung Ekkehard Sachse aus dem Jahr<br />

1990 wurden in Vietnam circa eine Million Menschen durch in der DDR arbeitende Vietnamesen <strong>unter</strong>stützt.<br />

Siehe hierzu Fritsche 1991: 21.<br />

27<br />

Vgl. Raendchen 2000: 6. Ziel von Doi Moi waren der Aufbau und die Konsolidierung eines privaten<br />

Wirtschaftssektors. Näheres hierzu siehe Raendchen 2000: 9.<br />

28<br />

Diese Erklärung beinhaltete <strong>unter</strong> anderem das Versprechen zum Einhalt der Vertragsbedingungen, der<br />

gesetzlichen Bestimmungen der DDR und der Weisungen der vietnamesischen Botschaft; außerdem enthielt es<br />

die Verpflichtung des Bewerbers, bei selbstverschuldeter vorzeitiger Rückführung nach Vietnam eine Geldstrafe<br />

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