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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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Konfuzianismus verlor spätestens 1918 mit der Abschaffung der traditionellen<br />

Mandarinatsprüfung für das Beamtentum und der Errichtung des französischen<br />

Kolonialverwaltungsapparats seine politische Bedeutung. 248 Sein gesellschaftlicher und<br />

moralischer Einfluss ist jedoch noch im heutigen Vietnam spürbar. 249<br />

Wichtiger Bestandteil der konfuzianischen Philosophie ist eine streng hierarchische und<br />

relativ statische Gesellschaftskonzeption, die dauerhafte Unterschiede menschlichen Rangs<br />

als gegeben hinnimmt und nicht in Frage stellt. 250 Die Familie gilt hierbei als grundlegendes<br />

gesellschaftliches Ordnungskonzept, als eine Art ‚Miniaturstaat‘. Umgekehrt wird die<br />

Gesellschaft als ‚erweiterte’ Familie betrachtet: Nur wer seine Familie ordnungsgemäß leiten<br />

kann (te gia), ist in der Lage, über das gesamte Land zu herrschen (tri quoc) um letztendlich<br />

die Welt zu pazifizieren (binh thien ha). 251 Der Status des Individuums innerhalb der<br />

Gesellschaft wird dabei durch seine Beziehungen zu den anderen Mitgliedern der<br />

Gemeinschaft bestimmt. So steht der Herrscher über seinen Untertanen, der Ältere über dem<br />

Jüngeren, der Mann über der Frau. 252 Trotz wahrzunehmender Pflichten auf beiden Seiten<br />

schuldet der Untergeordnete dem Übergeordneten absoluten Gehorsam und muss sich dessen<br />

Willen beugen. 253<br />

Die zentrale Stellung der Familie verdeutlicht, dass nicht das Individuum, sondern seine<br />

Einbindung in das Kollektiv im Mittelpunkt konfuzianischer Betrachtungen steht. Als<br />

wichtiges Ziel gilt daher die Entwicklung eines Gruppenbewußtseins. Durch das Wahrnehmen<br />

von Verantwortung gegenüber anderen und das Zurückstellen eigener Interessen zugunsten<br />

der Gruppe soll das Individuum auch zu <strong>einem</strong> ‚erfüllten Selbst‘ finden. 254 Dieses Konzept<br />

beinhaltet für die Familie folgende Grundwerte: Die Pietät des Sohnes gegenüber dem Vater<br />

(hieu), die Sittsamkeit der Ehefrau (le) und der Gehorsam des jüngeren Bruders gegenüber<br />

dem älteren (thuan). 255 Den Eltern gebührt gemäß diesen Prinzipien stets absoluter Gehorsam<br />

und tiefe Dankbarkeit. Als Familienoberhaupt und Vertreter der Familie nach außen stellt<br />

dabei der Vater die unbestrittene Autoritätsperson im Hause dar. Er sorgt für die Familie,<br />

seine idealen Eigenschaften sind dabei Menschlichkeit, Verstand und<br />

248<br />

Vgl. Duiker 1995: 84.<br />

249<br />

Vgl. Heyder 2001: 34-35.<br />

250<br />

Vgl. Duiker 1981: 25.<br />

251<br />

Vgl. Pham Hong Tung, Pham Quang Minh und Nguyen Quang Hung 2001: 16.<br />

252<br />

Man spricht von den fünf konfuzianischen Grundloyalitäten (ngu luan): Vater-Sohn (phu-tu), Mann-Frau<br />

(phu-phu), älterer Bruder-jüngerer Bruder (huynh-de), Herrscher-Untertan (quan-than), Freund-Freund (banghuu).<br />

Vgl. Kosaka-Isleif 1991: 205.<br />

253<br />

Vgl. Le Mong Chung 1992: 8. Im gesamten Staat schließlich stellt der Monarch als „Sohn des Himmels“ die<br />

Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie dar, er vereint Legislative und Exekutive in seiner Hand.<br />

254<br />

Vgl. Le Mong Chung 1992: 9.<br />

255<br />

Vgl. Kosaka-Isleif 1991: 206.<br />

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