Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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Mangelnde Deutsch-Kenntnisse der Eltern machen eine Minderung der elterlichen Autorität<br />
durch deren sprachmittlerische Abhängigkeit von ihren Kindern wahrscheinlich. Angesichts<br />
der in II.2.4.2 beschriebenen Situation ist auch im Falle der ehemaligen Vertragsarbeiter der<br />
vor allem väterliche Status- und damit Autoritätsverlust aufgrund von Arbeitslosigkeit oder<br />
einer wenig angesehenen Beschäftigung wegen eines niedrigen Bildungsstandes, der<br />
Sprachbarriere, in Deutschland nicht anerkannter vietnamesischer Bildungsabschlüsse oder<br />
der Arbeitsmarktlage in Verbindung mit den historischen und aktuellen ausländerrechtlichen<br />
Bedingungen vorstellbar. Insbesondere, da <strong>unter</strong> den vietnamesischen Migranten in den neuen<br />
Bundesländern die Beschäftigungsform des Gewerbes so dominant ist, welches in der Regel<br />
in Form von Familienbetrieben ausgeübt wird, in denen beide Partner arbeiten 384 , ist<br />
anzunehmen, dass Frauen durch Erwerbstätigkeit, Haushalt und Kindererziehung mehrfach<br />
belastet sind wie in der Regel deutsche Frauen auch. Der in der Literatur über die Boat People<br />
häufig geschilderte Aspekt der ‚emanzipatorischen Fortschritte’ der Frau durch<br />
Berufstätigkeit erscheint insofern hier nicht von allzu großer Bedeutung, als Frauen im Falle<br />
der ehemaligen Vertragsarbeiter in der Regel ohnehin stets zum Unterhalt der Familie<br />
beitrugen: Entweder sie absolvierten selbst einen Arbeitsaufenthalt in der DDR oder sie waren<br />
in Vietnam zusätzlich zum Ehemann, der nicht unbegrenzt Geld aus Deutschland schicken<br />
konnte, für die Ernährung der Familie zuständig. Der Gedanke der beruflichen Emanzipation<br />
der Frau durch die Migration scheint übrigens auch schon im Zusammenhang mit den Boat<br />
People eine zu starke Gewichtung zu erfahren, die ‚traditionellen’ Rollengefüge zu stark zu<br />
romantisieren, auch wenn seit der Migration der Boat People ab dem Ende der 70er Jahre die<br />
weibliche Emanzipation in Vietnam sicher wie ‚bei uns’ auch weitere Fortschritte gemacht<br />
hat. Ergebnis einer sich seit bereits etwa 50 Jahren vollziehenden Entwicklung ist jedenfalls,<br />
dass heute in Vietnam fast alle Frauen im arbeitsfähigen Alter berufstätig sind, wenngleich<br />
hauptsächlich in schlechter bezahlten Positionen als Männer, wie dies auch in Deutschland in<br />
der Regel der Fall ist. Eine zwar traurige, aber entscheidende Triebfeder dieser Entwicklung<br />
war der Krieg, durch den die Männer an der Front kämpften oder gef<strong>allen</strong> waren und Frauen<br />
deren Tätigkeiten übernehmen mussten. 385<br />
Wie erwähnt konnten mit den Bedingungen des Migrationslandes kompatible<br />
‚vietnamesische’ Werte und Traditionen allein laut Bankston und Zhou nicht den<br />
überdurchschnittlichen schulischen Erfolg der Kinder der Boat People als Indikator für deren<br />
Entwicklung vor dem Hintergrund zweier kultureller Einflüsse erklären. Sie wiesen in diesem<br />
Zusammenhang vor allem auf die vitale Rolle der „ethnischen Community“ hin, die durch<br />
384 Vgl. Mai 2001 in: http://www.freitag.de/2001/15/01150601.php.<br />
385 Vgl. Heyder 2001: 107-108.<br />
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