Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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„Rohmaterial“ 436 der beiden Kulturen Problemlösungen geschaffen werden. Dieser Gedanke<br />
wird auch in der folgenden <strong>Aus</strong>sage deutlich:<br />
„Also ich gehe auch gerne in traditionellen Kleidern oder [zeige, C.B.] auch sehr traditionelles Verhalten, wenn<br />
ich in bestimmte Gruppen reingehe, mit älteren Leuten rede, dann bin ich genauso...ganz lieb und ganz artig,<br />
aber wenn ich, sag’ ich mal so in dieser Gesellschaft irgendwo hingehe, ob ich Vietnamesin bin oder nicht, ich<br />
bin so, wie ich bin und.... für viele Leute ist es nicht einfach, nicht selbstverständlich. Und wenn man nicht in der<br />
Lage ist, sich zu äußern, zu reagieren, […], oder auch nicht in der Lage, mit bestimmten Dingen klarzukommen,<br />
dann zieht man sich lieber zurück und sagt: ‚Ja, Tradition!’ …. gut, ist auch eine Erklärung, ist auch eine<br />
Entschuldigung, es ist in Ordnung.“ 437<br />
Die Anwendung erzieherischer Methoden, wie sie die vietnamesischen Migranten in den<br />
neuen Bundesländern von den eigenen Eltern in Vietnam kennen gelernt haben, muss<br />
natürlich nicht mit einer dezidierten Ablehnung des ‚deutschen Erziehungsstils’ einhergehen.<br />
Für das elterliche Verhalten entscheidender als der mit der Marginalität verbundene negative<br />
Aspekt der „Kränkung“ ist offenbar in der Regel der positive Aspekt der sozialen<br />
Zugehörigkeit zur ‚vietnamesischen Community’ und Bestätigung durch sie, die wie erwähnt<br />
ein das Selbstbewusstsein förderndes, gleichberechtigtes Zusammenleben ermöglicht, wie es<br />
außerhalb dieser Enklave nicht möglich ist:<br />
„Man sagt nicht, dass Erziehung und Bildung des Deutschen schlecht sind, man sagt ja nur: ‚Nee, ich bin hier<br />
Vietnamese, das sieht man mir sofort an, und Anerkennung kriege ich ja nur meist <strong>unter</strong> der vietnamesischen<br />
Community, und wenn ich diese Anerkennung haben will, dann muss ich mein Kind so erziehen.’“ 438<br />
Wie im Falle der Community, deren Entstehung im Prinzip auf den ungünstigen<br />
gesellschaftlichen und institutionellen Verhältnissen der Migration gründet und die diese auch<br />
reflektiert, die in ihrer positiven, die Selbstsicherheit und die Identität ihrer Mitglieder<br />
stärkenden Funktion aber viel mehr ist als eine ‚Notgemeinschaft’, so ist auch das dort<br />
anerkannte ‚Festhalten an der traditionellen Erziehung’ nicht als Konflikte<br />
heraufbeschwörende ‚Notlösung’ zu stigmatisieren. Es handelt sich, wie beschrieben, um die<br />
im Rahmen der Möglichkeiten der vietnamesischen Migranten stehende Lösung des Problems<br />
der Erziehung <strong>unter</strong> erschwerten Bedingungen:<br />
436 Kalpaka und Räthzel 1990: 49.<br />
437 Interview 4.<br />
438 Interview 5.<br />
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