Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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überhaupt bei Dir mitmachen kann, weil mein Kind ist so schüchtern, und die macht nie so was und die kann nie<br />
vor `ner Öffentlichkeit auftreten.’“ 570<br />
Wenn die Mehrheitsgesellschaft nicht bereit ist, den Kindern und Jugendlichen mit<br />
vietnamesischem Migrationshintergrund eine grundlegende Selbstverständlichkeit in ihrer<br />
Mitte zuzugestehen, und diese mangelnde Akzeptanz zudem auf biologisch begründeten und<br />
somit auch durch die passionierteste ‚Anpassungsleistung’ nicht veränderbaren Merkmalen<br />
wie dem <strong>Aus</strong>sehen basiert – abgesehen davon, dass eine solche ‚Anpassungsleistung’ alles<br />
andere als begrüßenswert wäre! - entzieht sie der Entwicklung ihres Selbstbewusstseins eine<br />
bedeutende Grundlage. Somit scheint die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz in<br />
mindestens ebenso großem <strong>Aus</strong>maß wie der von ihnen geforderte bikulturelle ‚Balanceakt’<br />
die <strong>Aus</strong>einandersetzung der Kinder und Jugendlichen mit ihrer Identität zu einer besonderen<br />
Herausforderung zu machen. Durch ihre diskriminierende Haltung beschwört die<br />
Mehrheitsgesellschaft offenbar bisweilen überhaupt erst eine identifikatorische<br />
Problematisierung der Bikulturalität in den Migrantenkindern herauf, wie diese <strong>Aus</strong>sage<br />
andeutet:<br />
„Ja…die sind Deutsche, ne? Also auf dem Papier, aber wie sie aussehen, sind sie keine Deutschen, und oft ist es<br />
so, dass man ständig daran erinnert wird: ‚Woher kommst Du?’ und so, und viele werden hier geboren und sie<br />
fühlen sich als deutsche Bürger, und es gibt Identitätsprobleme, weil sie nicht wissen: ‚Bin ich Vietnamese? Bin<br />
ich Deutscher?’ …. es führt zu Krisen.“ 571<br />
Somit ist möglich, dass Kinder vietnamesischer Migranten nicht nur aufgrund ihres Unmuts<br />
gegenüber den an scheinbar unangemessenen Erziehungsmethoden festhaltenden Eltern alles,<br />
was ihr ‚Anderssein’ ausmacht und was sie daran selbst beeinflussen können, negieren, wie<br />
im vorherigen Kapitel beschrieben.<br />
Eine ähnlich diskriminierende Haltung kommt auch in der Antizipation des ‚kulturellen<br />
Konflikts’ quasi als Naturgesetz zum <strong>Aus</strong>druck, wie sie anzuklingen scheint, wenn das<br />
Selbstverständnis hier geborener oder auch aus Vietnam gekommener, erst seit einigen Jahren<br />
hier lebender Kinder und Jugendlicher, Deutsche zu sein 572 - insbesondere angesichts der<br />
besorgniserregend geringen Identifikation der ‚Gastarbeiter’-Kinder mit Deutschland 573 -<br />
pauschal als eine Art temporäre ‚Irrung’ in der identifikatorischen Entwicklung betrachtet<br />
570 Interview 6.<br />
571 Interview 7.<br />
572 Vgl. Interviews 1, 2, 5, 6, 7, 8.<br />
573 Vgl. Associated Press 2004: 7.<br />
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