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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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Sozialberater mit vietnamesischem Migrationshintergrund in <strong>einem</strong> solchen Fall<br />

hauptsächlich in ihrer Rolle als Gemeinschaftsmitglieder gesehen würden. 540<br />

Vor allem scheint die Angst vor <strong>einem</strong> ‚Gesichtsverlust’ innerhalb der Community das<br />

‚Vergehen’ des ‚erzieherischen Versagens’ zu betreffen. 541 Schwierigkeiten zwischen Eltern<br />

und Kindern würden deshalb häufig so lange <strong>unter</strong> Verschluss gehalten, bis letztere von zu<br />

Hause ausbrächen oder sich völlig verweigerten. 542 Auch der bereits erwähnte, offenbar für<br />

das soziale Umfeld völlig überraschende Selbstmord einer Abiturientin muss <strong>unter</strong> anderem<br />

<strong>unter</strong> diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. 543 Das Thema ‚Drogenabhängigkeit’ fällt<br />

ebenfalls in den Bereich sozial stark tabuisierter erzieherischer Probleme. 544 Mit der Furcht<br />

vor gemeinschaftlicher Verurteilung scheinen besonders Frauen zu kämpfen, da sie mit der<br />

maßgeblichen Erziehungsarbeit beauftragt und scheinbar ähnlich wie in Vietnam noch stärker<br />

als Männer zu sozialer Konformität verpflichtet sind. 545 Selbst wenn sie bei Problemen, wie<br />

zum Beispiel der körperlichen Gewaltausübung ihrer Ehemänner gegen sie, die<br />

Sozialberatung aufsuchen, scheinen sie selten zu wagen, den Status quo infrage zu stellen:<br />

„ […] die Frauen kommen nur und reden sich aus. Die können nicht … die trauen sich nicht, die Familie zu<br />

verlassen, weil sie Angst haben, das ganze Umfeld zu verlieren, Freunde, Bekannte, und so alles zu verlieren und<br />

dann isoliert zu leben. Deshalb akzeptieren sie oft diesen Zustand, also sie resignieren […] “ 546<br />

So seien in Fragen der Erziehung gerade die Mütter häufig durchaus gewillt, Vorschläge von<br />

beratender Seite anzunehmen und ihr Verhalten gegenüber ihren Kindern gegebenenfalls zu<br />

ändern, doch die Erfahrung, hierfür von ihrem sozialen Umfeld kritisiert zu werden, mache es<br />

bisweilen sehr schwer oder gar unmöglich für sie, ihre Vorsätze zu realisieren. 547<br />

Die obigen Schilderungen legen zwar dar, dass auch in vietnamesischen Gemeinschaften in<br />

Deutschland die soziale Kontrolle ein tragendes Element des sozialen Netzwerks ist. Es kann<br />

vermutet werden, dass dieser Faktor zusätzlich zur elterlichen Erziehung eine ‚fruchtbare’<br />

Verinnerlichung ‚vietnamesischer’ Werte begünstigen kann, beispielsweise durch die<br />

Tatsache, dass er den elterlichen Druck auf die Kinder entsprechend erhöht, dass diese<br />

540<br />

Vgl. Interview 1.<br />

541<br />

Vgl. Interviews 1, 2, 5.<br />

542<br />

Vgl. Interviews 1, 2, 5.<br />

543<br />

Vgl. Interview 1.<br />

544<br />

Vgl. Interview 4. Dies gilt übrigens offenbar nicht nur für die einzelnen, davon betroffenen Familien. Auch<br />

im Kollektiv würde das Thema negiert, aus Angst vor einer weiteren Verschlechterung des Images der<br />

vietnamesischen Migranten in der Mehrheitsgesellschaft, welches wie erwähnt durch das Phänomen der so<br />

genannten „Zigarettenmafia“ ohnehin stark negativ geprägt ist.<br />

545<br />

Vgl. Interviews 1, 2, 3, 4, 7.<br />

546<br />

Interview 7.<br />

547<br />

Vgl. Interview 2.<br />

116

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