Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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einigermaßen alles geregelt, aber wenn dann die Kinder anfangen, selbständig zu werden, und sie das nicht mehr<br />
<strong>unter</strong>drücken können, dann geht’s aus dem Ruder.“ 449<br />
Auch dieser Interviewpartner scheint aufgrund seiner Erfahrungen als Sozialberater eine<br />
solche Gefahr zu sehen, wie er anhand des Falls eines zwölfjährigen, mit der<br />
alleinerziehenden Mutter zusammenlebenden Jungens illustriert:<br />
„ […] der macht, was die Mutter sagt, also kochen, Mülleimer r<strong>unter</strong> bringen und seinen […] jüngeren Bruder<br />
vom Kindergarten abholen, damit die Mutter Zeit hat, zu arbeiten … bestimmte Regeln, die mein Kind, das in<br />
seine Klasse auch geht, nicht machen muss … ich frage mich dann, wie lange sie das dulden können, denn ich<br />
merke ja, wenn die mir erzählen, dass die ja nicht […] das bedingungslos akzeptieren. […] nicht nur bei den hier<br />
geborenen, sondern auch bei nachgeholten Kindern aus Vietnam merke ich auch diesen … Unmut wenn sie mit<br />
mir dann so darüber reden, wie ihre Eltern mit ihnen umgehen.“ 450<br />
Das <strong>Aus</strong>maß, in dem dieser Unmut gegebenenfalls zum <strong>Aus</strong>druck kommt, ‚die Dinge<br />
eskalieren’, ist von Fall zu Fall verschieden. Relativ häufig vorzukommen scheint, dass<br />
Kinder – übrigens auch schon vor der Pubertät, im Prinzip ab dem Kindergartenalter - alles<br />
‚Vietnamesische’ ablehnen, was sich vor allem darin äußert, dass sie keine vietnamesischen<br />
Gerichte essen und auch nicht mehr Vietnamesisch sprechen möchten. Dieses Phänomen<br />
findet sich offenbar sowohl bei aus Vietnam nachgeholten als auch bei in Deutschland<br />
geborenen Kindern, wobei es bei ersteren eher Teil einer bewussten <strong>Aus</strong>einandersetzung mit<br />
der eigenen Identität zu sein scheint, während für letztere aufgrund ihres geringen Alters<br />
solche Prozesse weniger eine Rolle zu spielen scheinen als ein gewisser Pragmatismus: Sie<br />
wachsen in ihrem Selbstverständnis als Deutsche auf und sehen (noch) keine Notwendigkeit,<br />
sich mit der Herkunft ihrer Eltern zu befassen. 451<br />
In Extremfällen schließt der kindliche Unmut gegenüber dem elterlichen Erziehungsstil nicht<br />
nur die Verweigerung alles ‚Vietnamesischen’ und der Erfüllung der hohen elterlichen<br />
Erwartungen mit ein, sondern auch die Person der Eltern selbst: Nicht selten scheinen Kinder,<br />
teilweise schon im Alter von acht Jahren, ab <strong>einem</strong> gewissen Punkt nicht mehr mit den Eltern<br />
sprechen zu wollen, sich zu Hause einzuschließen oder von dort wegzulaufen. 452 Vor allem<br />
letzteres komme immer häufiger vor, wie eine Gesprächspartnerin betont. 453 Das Jugendamt<br />
449 Interview 1.<br />
450 Interview 5.<br />
451 Vgl. Interview 1.<br />
452 Vgl. Interviews 1, 2, 3, 4, 5.<br />
453 Vgl. Interview 1.<br />
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