Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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Leistungsdruck auf sie aus, durch die regelmäßige Kontrolle ihrer schulischen Ergebnisse,<br />
aber auch durch körperliche Bestrafung und psychische Druckmittel, <strong>unter</strong> denen mit<strong>unter</strong><br />
auch die Mütter als für die alltägliche Erziehung Hauptverantwortliche zu leiden haben.<br />
Durch den von den Eltern angestellten Vergleich der Leistungen ihrer Kinder mit denen ihrer<br />
Verwandten in Vietnam und durch ihr offenbar geringes Verständnis für die Notwendigkeit<br />
und den pädagogischen Wert von Freizeit hegen sie oft höhere Ansprüche als die Schule und<br />
reglementieren den Tagesablauf ihrer Kinder stark.<br />
Auf Seiten der Kinder und Jugendlichen ließ sich zunächst eine im Vergleich zu ihren<br />
Altersgenossen ohne Migrationshintergrund starke Verinnerlichung des Leistungsgedankens<br />
konstatieren. Wie schon im Rahmen der Hypothesen antizipiert, sind demzufolge <strong>unter</strong> ihnen<br />
überdurchschnittlich viele gute und sehr gute Schüler. Nicht wenige Kinder ehemaliger<br />
Vertragsarbeiter reagieren jedoch auf den hohen Leistungsdruck auch negativ, beispielsweise<br />
mit Leistungsverweigerung oder starker Verängstigung.<br />
Bezüglich der sprachlichen Neuorientierung aus Vietnam gekommener Kinder und<br />
Jugendlicher stellte sich heraus, dass viele von ihnen offenbar die anfängliche Sprachbarriere<br />
relativ erfolgreich überwinden und auch in der Schule nach einer gewissen Zeit erstaunlich<br />
gut Anschluss finden. Mit ihrer sozialen Neuorientierung verbundene Unsicherheiten und<br />
Ängste kommen in Berlin scheinbar auch aufgrund von Hänseleien im Klassenzimmer auf, in<br />
Rostock scheint dies weniger der Fall zu sein. Besagte Emotionen könnten sich jedoch <strong>unter</strong><br />
anderem im Phänomen des Ablehnens alles ‚Vietnamesischen’ <strong>unter</strong> dem Druck der<br />
Anpassung an die Gleichaltrigen der Mehrheitsgesellschaft äußern. Offenbar kann sich eine<br />
solche Ablehnung als Phase entpuppen oder zu einer permanenten Distanzierung von der<br />
vietnamesischen Herkunft führen, was offenbar dann für ihre Entwicklung problematisch ist,<br />
wenn die Kinder in <strong>einem</strong> relativ jungen Alter aus Vietnam kamen und sich demzufolge bei<br />
ihrer Ankunft in Deutschland noch keine eigenständige Persönlichkeit herausgebildet hatte.<br />
Für die in Deutschland geborenen Kinder, die für eine bewusste Beschäftigung mit der<br />
eigenen Identität zumeist noch zu jung sind, scheint die sprachlich bedingte mangelhafte<br />
Kommunikation mit den Eltern, wie sie im Rahmen der Hypothesen zwar für möglich<br />
gehalten, in diesem <strong>Aus</strong>maß jedoch kaum antizipiert wurde, ein großes Problem darzustellen,<br />
vor allem im Hinblick auf die nahende Pubertät. Ihrem Selbstverständnis als Deutsche<br />
zufolge, welches nicht zuletzt auf ihrem buchstäblichen Aufwachsen in deutschen<br />
Kindertagesstätten basiert, beschäftigen sie sich mit der vietnamesischen Sprache zumeist nur<br />
in <strong>einem</strong> für die grundlegende Verständigung mit den Eltern notwendigen Maß, während<br />
diese oft kaum Deutsch sprechen.<br />
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