Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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Neuorientierung vor der Herausbildung einer eigenständigen Persönlichkeit eine besondere,<br />
von der Sprache gänzlich unabhängige Herausforderung darstellt. Hinsichtlich der obigen<br />
These lässt sich aufgrund des geringen Alters der hier geborenen Kinder noch wenig sagen,<br />
momentan scheint jedenfalls nichts auf die Entstehung eines solchen Phänomens hinzudeuten.<br />
Die hierzu getroffene Hypothese bestätigend, hat die oben erwähnte starke soziale<br />
Kontrolle innerhalb der Community auch zur Folge, dass die Eltern aus Furcht vor <strong>einem</strong><br />
Gesichtsverlust insbesondere wegen ‚erzieherischen Versagens’ familiäre Konflikte und<br />
Probleme ihrer Kinder so lange wie möglich <strong>unter</strong> Verschluss halten. Sie nehmen deshalb<br />
auch die Hilfe der Vereine kaum aus eigenem Antrieb in Anspruch, sondern suchen diese<br />
zumeist erst auf, wenn deutsche Institutionen wie die Polizei oder das Jugendamt um deren<br />
Vermittlung gebeten haben.<br />
Trotz der relativ häufigen Bestätigung der im Vorfeld formulierten Hypothesen durch die<br />
Untersuchungsergebnisse traten auch einige Problemquellen im Leben der Kinder und<br />
Jugendlichen zutage, die kaum antizipiert wurden. Neben der weit verbreiteten Abwesenheit<br />
der Eltern gehören hierzu eine relativ neue, erziehungsbedingte ‚Unerzogenheit’ gerade erst<br />
aus Vietnam angekommener Kinder wegen der langen Trennung der Familie sowie die<br />
Drogenabhängigkeit vor allem älterer aus Vietnam kommender Jugendlicher aufgrund ihrer<br />
Orientierungslosigkeit und Desillusion.<br />
Die relativ konfliktbezogene Untersuchung der Situation der Kinder und Jugendlichen, die<br />
sicher auch mit der durch ihre Beratungstätigkeit stark problemorientierten Perspektive der<br />
Vereinsrepräsentanten zusammenhängt, soll dennoch nicht den Eindruck erwecken, das<br />
Familienleben der ehemaligen Vertragsarbeiter bestünde in erster Linie aus Risiken für die<br />
kindliche Entwicklung. Viele Kinder und Jugendliche entwickeln sich, wie erwähnt und auch<br />
anhand von Beispielen illustriert, sogar sehr positiv. Oft meistern sie die Balance zwischen<br />
den beiden sich teilweise überschneidenden, aber auch widersprechenden kulturellen<br />
Einflüssen in ihrem Leben intuitiv. Indem sie ihren Bedürfnissen und zudem den<br />
gesellschaftlichen Ansprüchen gemäß das von den Eltern Erfahrene auf die hiesigen<br />
Bedingungen anwenden, <strong>trinken</strong> sie erfolgreich ‚aus <strong>allen</strong> <strong>Quellen</strong>’. Bleibt nur zu hoffen, dass<br />
diese beachtliche Integrationsleistung durch eine entsprechende Haltung der Mehrheitsgesellschaft<br />
erwidert wird, und dies nicht nur im Interesse der Kinder und Jugendlichen<br />
selbst:<br />
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