Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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III.2. Erziehung und Bildung in Vietnam<br />
III.2.1 Das konfuzianische Erziehungsideal<br />
“Thuong con cho roi cho vot,<br />
Ghet con cho ngot cho ngao.<br />
Liebt man die Kinder, greift man zum Prügel.<br />
Haßt man sie, schenkt man ihnen ein süßes Leben.“ 275<br />
Recht drastisch kommt im obigen vietnamesischen Sprichwort der Glaube an die Vorzüge<br />
einer strengen, autoritären Kindererziehung zum <strong>Aus</strong>druck, wie sie traditionell in Vietnam<br />
praktiziert wurde. Sie basiert auf dem Prinzip, dass Familie und Gesellschaft stets Vorrang<br />
vor dem Individuum haben und dieses dementsprechend nicht zur Persönlichkeitsentfaltung,<br />
sondern zur „ […] Konformität mit den etablierten Normen […] “ 276 erzogen wird. So gilt das<br />
Grundprinzip des absoluten Gehorsams und Respekts sowie der Dankbarkeit gegenüber den<br />
Eltern, sie dürfen weder kritisiert, noch darf ihnen widersprochen werden. Ein unerzogenes<br />
Kind stellt mit seiner Respektlosigkeit die Eltern bloß, sorgt für ihren ‚Gesichtsverlust’,<br />
gleichbedeutend mit einer schweren Kränkung. Das in vielen asiatischen Gesellschaften noch<br />
heute geltende Prinzip des ‚Gesichtwahrens’ in <strong>allen</strong> zwischenmenschlichen Beziehungen<br />
basiert ebenfalls auf der konfuzianischen Lehre. 277<br />
Mit den alltäglichen Erziehungsaufgaben ist, wie bereits erwähnt, die Mutter betraut. Ihrem<br />
traditionellen Stereotyp getreu stellt sie auch den emotionalen, warmen, tröstenden Konterpart<br />
zu ihrem im Idealfall durch „distanzierte, aber durchaus wohlwollende Strenge“ 278<br />
gekennzeichneten Ehemann dar, der in Erziehungsdingen in erster Linie das Wort ergreift,<br />
wenn es sich um ein Machtwort handelt. Ohne auf derlei romantisierende<br />
Verallgemeinerungen zurückgreifen zu wollen, scheint auch heute der Erziehungsstil in<br />
Vietnam eher autoritär und streng zu sein, zumindest um einiges autoritärer, als in<br />
Deutschland üblich. 279 Dabei werden Töchter in der Regel stärker reglementiert als die Söhne,<br />
sie müssen früh Aufgaben im Haushalt übernehmen und sich um ihre jüngeren Geschwister<br />
kümmern. Auch die Rollenverteilung der Eltern ist – wie in Deutschland auch - in der Regel<br />
275 Bui Cong Tang 1996: 61.<br />
276 Ebenda: 61.<br />
277 Vgl. Bankston und Zhou 1998: 83-84.<br />
278 Schneider 1982: 97.<br />
279 Vgl. Nonnemann 2004: 3.<br />
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