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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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die Verantwortung der übergeordneten Mitglieder für die <strong>unter</strong>geordneten stark betont,<br />

scheint ebenfalls in Deutschland weiter zu gelten:<br />

„Vieles ist in Deutschland selbstverständlich, was für vietnamesische Eltern nicht selbstverständlich ist. Ein<br />

Beispiel: Wenn die Eltern fürsorglich sind, respektieren sie das Individuum anders als hier. […] Auch wenn ihre<br />

Kinder schon Jugendliche sind, respektieren die Eltern das Individuum nicht so wie in der deutschen<br />

Gesellschaft… mit guter Absicht. Zum Beispiel schauen sie gerne in ihre Zimmer oder in ihr Tagebuch, das ist<br />

für vietnamesische Eltern selbstverständlich, aber hier nicht, oder Briefe - sie respektieren das Individuum ihrer<br />

Kinder anders als hier (mit Nachdruck). Das ist normal für die Eltern, aber die hier aufgewachsenen Kinder<br />

können das nicht akzeptieren.“ 395<br />

Im Gegensatz zu den bisherigen <strong>Aus</strong>sagen wird hier zum ersten Mal ein ganz entscheidender<br />

Punkt deutlich: Die Familie befindet sich nicht mehr in Vietnam, sie lebt <strong>unter</strong> den<br />

veränderten gesellschaftlichen Bedingungen des Migrationslandes Deutschland. Diese<br />

Veränderungen haben offenbar zu Folge, dass die scheinbar selbstverständlich aus Vietnam<br />

‚importierte’ Haltung der Eltern von den hier aufwachsenden Kindern eben nicht mehr<br />

selbstverständlich akzeptiert wird, wie dies vielleicht von in Vietnam lebenden Kindern zu<br />

erwarten wäre. Das oben beschriebene Verhalten der Eltern ist zu wenig mit ‚deutschen’<br />

Vorstellungen des individuellen Freiraums, der Privatsphäre vereinbar, welche die Kinder<br />

durch ihr Aufwachsen hier kennen gelernt und verinnerlicht zu haben scheinen.<br />

Ähnliches scheint im Zusammenhang mit der offenbar auch in Deutschland nicht selten<br />

praktizierten, zum Teil massiven körperlichen Züchtigung der Kinder zu gelten, wie folgendes<br />

Beispiel einer Familie mit 13-jährigen Zwillingstöchtern nahe legt:<br />

„Wenn sie geschrieen haben, haben die Eltern oder der Onkel oder der Vater Klebeband benutzt oder gefesselt,<br />

also nicht brutal, so schlecht meinen sie das nicht, aber für die Kinder sind das schreckliche Ereignisse im Leben,<br />

sie können das nicht los werden.“ 396<br />

Den Eltern ist zunächst offenbar häufig nicht bekannt, dass in Deutschland die schwere<br />

körperliche Bestrafung von Kindern als Missbrauch gilt, sie scheinen diese Denkweise –<br />

sicher in der Überzeugung, im Rahmen einer guten Erziehung ihrer Kinder das Richtige zu<br />

tun - bisweilen auch schwer nachvollziehen zu können, wie die obige <strong>Aus</strong>sage verdeutlicht. 397<br />

Die hier aufwachsenden Kinder hingegen empfinden die körperliche Strafe offenbar als<br />

‚Unrecht’ und nicht als widerspruchslos hinzunehmende elterliche Maßregelung, wie es von<br />

395 Interview 3.<br />

396 Interview 3.<br />

397 Vgl. Interviews 2, 5.<br />

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