Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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II.2.2 „Wirtschaftsflucht“? „Republikflucht“? Die Asylantragssteller im Westen<br />
Eine weitere Alternative zur Rückkehr, wenngleich gemäß dem Regierungsabkommen illegal,<br />
war der Versuch, in der Bundesrepublik einen Asylantrag zu stellen. Schon in den ersten<br />
Monaten nach dem Mauerfall im November 1989 gingen circa 4.000 Vietnamesen über die<br />
offene Grenze in den Westen. 136 Sie versprachen sich dort vor allem eine höhere Toleranz<br />
gegenüber <strong>Aus</strong>ländern und bessere Arbeitsbedingungen. 137 Zum Ende des Jahres 1990 waren<br />
auf diese Weise bereits 9.428 Asylanträge gestellt worden. Die <strong>Aus</strong>sicht auf Erfolg stellte sich<br />
jedoch als äußerst gering heraus. Zwar erfüllte die Überschreitung der innerdeutschen Grenze<br />
laut vietnamesischem Strafgesetzbuch den Tatbestand der „Republikflucht“ 138 . Dieser<br />
begründete aber noch nicht die Gewährung von Asyl nach Artikel 16, Absatz zwei des<br />
Grundgesetzes 139 : In der Bundesrepublik hat man als Asylbewerber den Nachweis zu<br />
erbringen, dass man schon in der Heimat der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt war<br />
und die eigenen Aktivitäten in Deutschland weiterhin <strong>Aus</strong>druck dieser staatlich <strong>unter</strong>drückten<br />
politischen Überzeugungen sind. Die Bundesrepublik argumentierte, die ehemaligen<br />
Vertragsarbeiter seien in ihrer Heimat nie politisch verfolgt worden, ihre Entsendung in die<br />
DDR sei vielmehr <strong>Aus</strong>druck ihres Privilegiertenstatus gewesen. Ferner seien sie nicht<br />
aufgrund von Verfolgung oder latenter Verfolgungsgefahr in die BRD geflüchtet, sie seien in<br />
der Mehrzahl „Wirtschaftsflüchtlinge“. Eine Bestrafung in Vietnam wegen illegalen<br />
Verbleibens im <strong>Aus</strong>land oder wegen des Asylantrags sei zudem kaum zu befürchten. 140 So<br />
verneinten die bundesdeutschen Verwaltungsgerichte in über 90 Prozent der Fälle den<br />
Anspruch auf Asyl, <strong>allen</strong>falls sprachen sie eine „Duldung“ aus, welche keinen gesicherten<br />
Aufenthaltsstatus darstellte. 141 Die häufige Weigerung auf vietnamesischer Seite, die für die<br />
Rückreise abgeschobener Vietnamesen notwendigen Papiere auszustellen oder ihre<br />
Staatsbürger wieder aufzunehmen, verkomplizierte die Lage noch dazu erheblich. 142<br />
136<br />
Vgl. Will 2002: 13.<br />
137<br />
Vgl. Krüger 1999: 22.<br />
138<br />
Vgl. Marburger 1993: 36: Artikel 85 und 89: Die Grenzüberschreitung galt als illegales Verbleiben im<br />
<strong>Aus</strong>land über die Vertragsdauer hinaus und als gegen den vietnamesischen Staat gerichtete Handlung.<br />
139<br />
Vgl. Marburger 1993: 36.<br />
140<br />
Vgl. Bui Cong Tang 1996: 46. Laut <strong>Aus</strong>sage der Autorin stützte sich das Bundesamt in dieser Argumentation<br />
auf ein Gutachten von Dr. Oskar Weggel, Institut für Asienkunde, Hamburg.<br />
141<br />
Vgl. Will 2002: 13.<br />
142<br />
Vgl. ebenda: 13.<br />
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