20.11.2012 Aufrufe

Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

isolationsförderliche – und damit integrationsfeindliche - äußere Bedingung darstellen. Am<br />

evidentesten gilt dies im Fall des offenen, gewaltbereiten Rassismus, wie er vor allem<br />

während der Wende und in den ersten Jahren danach tobte. Zwar wird sich der Leser an die<br />

Einschätzung eines Interviewpartners erinnern, nach der öffentliche verbale und tätliche<br />

Angriffe gegen <strong>Aus</strong>länder mittlerweile weitaus seltener geworden sind – wie zweifelhaft das<br />

Motiv auch sein mag. Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine mit der Migration offenbar<br />

unweigerlich verbundene, mehrheitsgesellschaftliche Klassifizierung - und teilweise auch<br />

Behandlung - der Migranten als ‚Andersseiende’ deren Leben quasi institutionell zu begleiten<br />

scheint, mal mehr, mal weniger wahrnehmbar:<br />

„So ein Umbruch, wie es die Einwanderung in ein anderes Land ist, bedeutet für EinwandererInnen in der BRD<br />

strukturell eine Kränkung des Selbstbewußtseins – dazu bedarf es nicht der ‚Manifestationen von <strong>Aus</strong>länderhaß’.<br />

Die Emigration hat eine Entfremdung von den Selbstverständlichkeiten bewirkt, die ein sozial akzeptiertes<br />

Leben im Heimatland ausmachten. […] Die mit dieser ‚Kränkung’ verbundenen Probleme sollen <strong>unter</strong><br />

schlechten Lebensbedingungen (Rechtlosigkeit, Diskriminierung, schlechte ökonomische und soziale Lage usw.)<br />

bewältigt werden.“ 430<br />

Demnach lässt sich eine fundamentale „Kränkung des Selbstbewusstseins“ als zentrales<br />

Problem auch der ehemaligen Vertragsarbeiter und ihrer Familien annehmen, bedingt durch<br />

den unvermeidlichen „Umbruch“ der Migration, aber auch durch ihre mehr oder weniger<br />

offen zum <strong>Aus</strong>druck kommende geschichtliche, institutionelle und gesellschaftliche<br />

Marginalisierung in Deutschland, welche sich in ihrer von der Mehrheitsgesellschaft isolierten<br />

Lebensweise manifestiert. Das scheinbar ‚traditionsbewusste’ Verhalten dieser Migranten<br />

wird somit zu einer auf diese Bedingungen zugeschnittenen Problemlösungsstrategie, nämlich<br />

zur Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit restituierenden Kompensation für diese<br />

„Kränkung“. In diesem Kontext kann übrigens auch die Rolle der ‚vietnamesischen<br />

Community’ gesehen werden: Unter anderem <strong>unter</strong> den Bedingungen der konsequenten,<br />

zumindest <strong>unter</strong>schwelligen Erfahrung der Marginalisierung durch die Mehrheitsgesellschaft<br />

entstanden und diese widerspiegelnd, geht ihre Bedeutung im Sinne der<br />

Problemlösungsstrategien der Migranten dennoch weit über die einer ‚Zweckgemeinschaft’<br />

hinaus. Sie stellt eine ‚soziale Selbstverständlichkeit’ erneut her, die durch die Migration<br />

verloren ging, die jedoch in der Mehrheitsgesellschaft durch die Marginalisierung und die<br />

damit <strong>unter</strong> den Migranten einhergehende Unkenntnis oder gar Ablehnung ihrer Angebote<br />

nicht neu erwerbbar ist:<br />

430 Kalpaka und Räthzel 1990: 49.<br />

91

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!