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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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V.2 Der Weg der Kinder<br />

V.2.1 Die Identitätssuche der Kinder ehemaliger vietnamesischer Vertragsarbeiter:<br />

Denkbare Faktoren<br />

V.2.1.1 Die Kinder der Boat People als Vergleichsmoment<br />

Das Phänomen der vietnamesischen Vertragsarbeiter und ihre aktuelle Situation sind ein<br />

Produkt spezifischer geschichtlicher und politischer Bedingungen. Dementsprechend können<br />

Vergleiche zu anderen Migrantengruppen in Deutschland oder gar im <strong>Aus</strong>land nur<br />

unzureichend sein. In Anbetracht der im Rahmen der Recherche notwendigen<br />

Hypothesenbildung jedoch war ein – zumindest annähernd geeignetes - Vergleichsmoment<br />

erforderlich. Wie bereits angedeutet, hatte die Bundesrepublik Ende der 70er bis Mitte der<br />

80er Jahre circa 36.000 so genannte vietnamesische Boat People aufgenommen, die nach der<br />

Vereinigung Vietnams <strong>unter</strong> dem Sozialismus im Jahre 1975 vor staatlichen Repressalien zu<br />

Hunderttausenden flohen. 322 Der lebensgefährliche Fluchtweg über das südchinesische Meer<br />

in überfüllten, oft seeuntüchtigen Booten kostete schätzungsweise allein 400.000 bis 500.000<br />

Menschen das Leben. Wer die Fahrt überlebte und die Aufnahmelager in Hongkong oder<br />

Malaysia erreichte, hoffte dort auf eine Aufnahme durch Drittländer wie die USA, Frankreich,<br />

<strong>Aus</strong>tralien, Kanada oder Deutschland. 323 In der Bundesrepublik hatten die Boat People im<br />

Rahmen des Kontingentflüchtlingsgesetzes - und somit als leistungsbezogen den<br />

Asylberechtigten Gleichgestellte - den Status einer eher „privilegierten Flüchtlingsgruppe“ 324 ,<br />

die Anspruch auf Aufenthalt und auf integrative Maßnahmen in der BRD hatte. Im Gegensatz<br />

zu ihren Landsleuten in den neuen Bundesländern sollten sie und ihre im Rahmen der<br />

Familienzusammenführung nachgeholten Familienmitglieder sich ausdrücklich dauerhaft in<br />

die bundesdeutsche Gesellschaft integrieren. Dieser entscheidende Unterschied macht ein<br />

Heranziehen bestehender Erkenntnisse über die Kinder der Boat People als ‚Präzedenzfall’<br />

für die Vertragsarbeiterkinder nicht ganz unproblematisch. Zudem musste in Anbetracht der<br />

bezüglich der Kinder der Boat People in Deutschland eher mageren Datenlage zusätzlich<br />

Literatur aus dem <strong>Aus</strong>land hinzugezogen werden, vornehmlich aus den USA, die im<br />

322 Es handelte sich zunächst in erster Linie um die einer systematischen Vertreibung ausgesetzten chinesischstämmigen<br />

Hoa, dann folgten ab 1979 etwa eine Million Vietnamesen, dar<strong>unter</strong> Mitarbeiter der ehemaligen<br />

südvietnamesischen Armee und Verwaltung (die ehemalige südvietnamesische Elite war bereits kurz nach der<br />

Wiedervereinigung des Landes geflohen) und Geistliche.<br />

323 Vgl. Baumann 2000: 30. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre lebten mehr als 2,3 Millionen Vietnamesen<br />

außerhalb Vietnams, circa eine Million davon in den USA, in Frankreich circa 300.000, in <strong>Aus</strong>tralien etwa<br />

200.000, in Kanada circa 150.000 und in Deutschland etwa 115.000 (Zahlen von 1998, Vgl. Baumann 2000: 28.)<br />

324 Ebenda: 32.<br />

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