Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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staatliche Interessen“ 52 Vietnams es verlangten oder wenn beispielsweise nachträglich<br />
bekannt wurde, dass entgegen der zu leistenden Verpflichtungserklärung doch nicht alle<br />
Bedingungen für die Entsendung ins <strong>Aus</strong>land erfüllt waren. 53 Wenn der Einsatzbetrieb<br />
Abkommensbestimmungen missachtete, konnte die Botschaft den Wechsel des<br />
Vertragsarbeiters in einen anderen Betrieb veranlassen. Für den Arbeitnehmer selbst bestand<br />
jedoch keine Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten. 54 Die Rückführungsquote lag von<br />
1981 bis 1983 nachweislich <strong>unter</strong> <strong>einem</strong> Prozent, auch später wurde sie wahrscheinlich nicht<br />
überschritten. Dennoch kam es zum Teil zu dramatischen Einzelfällen. 55<br />
Arbeits- und sozialversicherungsrechtlich waren die Vertragsarbeitnehmer den DDR-Bürgern<br />
prinzipiell gleichgestellt. In der Realität schien dies jedoch oft anders auszusehen: „Die<br />
offizielle Version der Beschäftigungspolitik der DDR-Regierung sprach der gängigen Praxis,<br />
Menschen, unabhängig von ihren beruflichen Fähigkeiten und Kenntnissen, auf der<br />
niedrigsten Stufe anzusiedeln, Hohn.“ 56 So werden bezüglich des Lohns und der Prämien, die<br />
sie entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen erhalten sollten, zwar Fälle beschrieben, in<br />
denen Vietnamesen nach der Einarbeitungsphase durch 120- oder 130-prozentige<br />
Normerfüllung sogar mehr verdient haben als ihre deutschen Kollegen. 57 Weitaus häufiger<br />
scheint jedoch üblich gewesen zu sein, sie mit dem Argument der geringeren Dauer und<br />
Qualität ihrer beruflichen <strong>Aus</strong>bildung und Praxis im Vergleich zu den deutschen<br />
Arbeitnehmern erst in die <strong>unter</strong>en Lohngruppen einzustufen und die ihnen eigentlich<br />
zustehende Entlohnung erst im letzten Einsatzjahr auszubezahlen. 58 In der Regel erhielten die<br />
Vietnamesen keine Arbeitsplätze entsprechend ihrer erlernten beruflichen Fähigkeiten, da ihre<br />
Abschlüsse aus Vietnam nicht anerkannt wurden. 59 Eingesetzt wurden sie fast ausschließlich<br />
in der Produktion, beispielsweise in Schuhfabriken, in der Textil- und in der<br />
metallverarbeitenden Industrie, und dies in der Regel im Drei-Schicht-Betrieb. 60 Dort mussten<br />
sie oft die schmutzigsten und gefährlichsten Arbeiten übernehmen. Zumindest scheinen die<br />
deutschen Kollegen die Ungleichbehandlung zum Teil wahrgenommen und mit Kollegialität<br />
und Entgegenkommen darauf reagiert zu haben. 61 Die vom Bruttoeinkommen der<br />
Vertragsarbeiter einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer entsprachen<br />
52<br />
Art. 5 des Regierungsabkommens von 1980. Siehe hierzu Fritsche 1991: 26.<br />
53<br />
Vgl. Raendchen 2000: 13.<br />
54<br />
Vgl. ebenda: 13.<br />
55<br />
Vgl. ebenda: 15.<br />
56<br />
Müller 1996: 45.<br />
57<br />
Vgl. Fritsche 1991: 28.<br />
58<br />
Vgl. Marburger 1993: 19.<br />
59<br />
Vgl. Müller 1996: 45.<br />
60<br />
Vgl. Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales – Die <strong>Aus</strong>länderbeauftragte 1990: 23.<br />
61<br />
Vgl. Müller 1996: 45-46.<br />
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