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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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für das „ […] Wohlergehen der Gesamtfamilie, das der Toten wie das der Lebenden, die ohne<br />

ihn der Willkür der erzürnten irrenden Geisterseelen ausgeliefert wären“. 265 In jedem<br />

vietnamesischen Haus gibt es noch heute einen Ahnenaltar zur religiösen Verehrung der<br />

Vorfahren, bei denen man Schutz, Hilfe und Trost sucht und für die man zu bestimmten<br />

Anlässen Zeremonien veranstaltet. Auch von <strong>Aus</strong>landsvietnamesen wird der Ahnenkult<br />

praktiziert, erkennbar zum Beispiel daran, dass sich in Deutschland in vielen vietnamesischen<br />

Läden kleine Ahnenaltäre finden. Allerdings kann durch die Trennung der Familienmitglieder<br />

voneinander und die weite Entfernung von den Familiengräbern die Ahnenverehrung nur<br />

beschränkt praktiziert werden, was nicht selten mit Schuldgefühlen seitens der im <strong>Aus</strong>land<br />

lebenden Vietnamesen einhergeht.<br />

Selbstverständlich war - und ist - die vietnamesische Familie, wie auch die westlicher<br />

Gesellschaften, <strong>einem</strong> Wandel <strong>unter</strong>zogen. Dieser begann massiv aufgrund der <strong>Aus</strong>wirkungen<br />

der französischen Kolonialherrschaft, der beiden großen Kriege und nicht zuletzt der Politik<br />

des kommunistischen Regimes, wenngleich dieses sich sogar des Öfteren in seiner Bemühung<br />

um affektive Bindung der Bevölkerung der konfuzianischen Familiensymbolik und<br />

-terminologie bedient hat. Nicht zuletzt verstärkten der zunehmende westliche Einfluss, die<br />

Urbanisierung und die Entstehung einer urbanen Mittelschicht den traditionellen Trend zur<br />

Nukleusfamilie. 266 Zwar ist nach wie vor nicht unüblich, dass Kinder erst aufgrund von Heirat<br />

das Elternhaus verlassen, die Eltern im Alter von mindestens <strong>einem</strong> Kind versorgt werden und<br />

auch ins <strong>Aus</strong>land gegangene Vietnamesen eine sehr starke Verpflichtung verspüren, ihre in<br />

Vietnam gebliebenen Eltern und Geschwister finanziell zu <strong>unter</strong>stützen, eine Verpflichtung,<br />

der sie zum Teil <strong>unter</strong> sehr großen Opfern nachgehen. 267 Andererseits verlassen mittlerweile<br />

viele Kinder für ihr Studium und die Arbeitssuche ihren Geburtsort und besuchen die Eltern<br />

nur zu besonderen Anlässen oder Festen 268 , Ehen werden schon lange nicht mehr von den<br />

Eltern arrangiert und auch Scheidungen sind keine Seltenheit mehr in Vietnam.<br />

Die paternalistisch-autoritären konfuzianischen Familienwerte und Rollenverpflichtungen<br />

sind allerdings auch heute noch von relativ großer Bedeutung 269 : Dies beginnt damit, dass von<br />

Kindern noch immer anstandsloser Gehorsam vor allem gegenüber den Eltern, aber auch<br />

älteren Geschwistern und anderen Respektspersonen erwartet wird, und endet mit dem seitens<br />

der Eltern ausgeprägten Wunsch der Geburt eines Sohnes, der für den Fortbestand der Familie<br />

sorgt und nicht wie die Tochter die eigene Familie für die ihres Ehemannes verlässt. Ebenso<br />

265 Schneider 1982: 81.<br />

266 Vgl. ebenda: 71.<br />

267 Vgl. Kosaka-Isleif 1991: 211.<br />

268 Vgl. Nonnemann 2004: 2.<br />

269 Vgl. Bankston und Zhou 1998: 84, Nonnemann 2004: 2.<br />

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