Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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Schließlich war der Grund ihres Aufenthaltes in erster Linie die Unterstützung der Familie in<br />
Vietnam und ihre eigene Zukunftsvorsorge, und am Arbeitsplatz kam man auch mit <strong>einem</strong><br />
niedrigen Sprachniveau zurecht. 80 Natürlich spielte auch das sehr <strong>unter</strong>schiedliche<br />
<strong>Aus</strong>bildungsniveau der Vertragsarbeiter beim Erwerb deutscher Sprachkenntnisse eine<br />
Rolle. 81 Durch ihre mangelhaften Deutschkenntnisse waren die Vertragsarbeitnehmer jedoch<br />
ständig abhängig von <strong>einem</strong> Sprachmittler, wodurch ihre Privatsphäre erheblich eingeschränkt<br />
wurde, denn der Dolmetscher war zur Unterstützung des Gruppenleiters verpflichtet und<br />
somit an keine Schweigepflicht gebunden, auch nicht an die ärztliche. Auf diese Art und<br />
Weise wurden zum Beispiel Schwangerschaften sehr früh bekannt.<br />
Da die SED weder das Heranwachsen einer zweiten <strong>Aus</strong>ländergeneration in der DDR, noch<br />
eine Beeinträchtigung der Arbeitskraft der Vertragsarbeitnehmerinnen wünschte 82 , wurde an<br />
alle Vertragsarbeiterinnen zunächst kostenlos die Pille verabreicht. 83 Kam es dennoch zu einer<br />
Schwangerschaft, hatten Frauen gemäß dem Abkommen von 1980 die Wahl zwischen einer<br />
Abtreibung und der sofortigen Rückkehr nach Vietnam. Eine Heimreise <strong>unter</strong> diesen<br />
Umständen bedeutete jedoch für die Frauen eine soziale und finanzielle Katastrophe: Die<br />
Schande, die ein uneheliches Kind in der Heimat bedeutete, die selbst zu zahlenden<br />
Rückführungskosten und die drohende hohe Geldstrafe ließen da eine Abtreibung als das<br />
kleinere Übel erscheinen. 84 Erst eine weitere Vereinbarung vom 26.01.1987 ermöglichte<br />
gegebenenfalls eine Rückreise nach Vietnam nach der Entbindung, falls die „persönliche<br />
Lage“ es erforderte, was allerdings von der vietnamesischen Botschaft oder durch ein<br />
ärztliches Gutachten zu attestieren war. 85 Auf das Dringen Vietnams hin wurde schließlich<br />
mittels einer weiteren Vereinbarung vom 1.03.1989 86 gestattet, den Arbeitsaufenthalt in der<br />
DDR auch nach der Entbindung fortzusetzen. Der Betrieb und die staatlichen Organe hatten<br />
in diesem Fall für die geeignete Unterbringung von Mutter und Kind und für die<br />
80<br />
Vgl. Müller 1996: 61.<br />
81<br />
Vgl. Will 2002: 10.Viele vietnamesische Vertragsarbeiter waren ungelernt, aber auch nicht wenige waren<br />
höhere Schul- bzw. Hochschulabsolventen.<br />
82<br />
<strong>Aus</strong> der „Vereinbarung über die Verfahrensweise bei Schwangerschaft vietnamesischer werktätiger Frauen in<br />
der DDR“ vom 21.7.1987: „ Schwangerschaft und Mutterschaft verändern die persönliche Situation …so<br />
grundlegend, daß die damit verbundenen Anforderungen der zeitweiligen Beschäftigung und Qualifizierung<br />
nicht realisierbar sind“ (Fritsche 1991: 26).<br />
83<br />
Vgl. Raendchen 2000: 17. Viele vietnamesische Frauen hatten nie zuvor Erfahrungen mit der Pille gemacht,<br />
zum Teil wurde die Wirkungsweise nicht ausreichend erklärt und im Dreischichtbetrieb war die Einnahme auch<br />
nicht immer realisierbar.<br />
84<br />
Vgl. ebenda: 17. Entsprechend niedrig war deshalb die Zahl der schwangeren Frauen, die sich für eine<br />
vorzeitige Aufenthaltsbeendigung entschieden. Bis 1990 wurden jährlich circa 300 vietnamesische Frauen<br />
wegen Schwangerschaft abgeschoben. Siehe hierzu Sextro 1996: 36.<br />
85<br />
Vgl. Raendchen 2000: 14.<br />
86<br />
„Ordnung über Aufgaben der Betriebe und örtlichen Staatsorgane im Zusammenhang mit der Schwangerschaft<br />
vietnamesischer Frauen, die auf der Grundlage zweiseitiger Regierungsabkommen zeitweilig in Betrieben der<br />
DDR arbeiten“. Siehe hierzu Marburger 1993: 29.<br />
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