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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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nicht mehr zum Tragen kommenden, die vietnamesische Sprache dominierenden<br />

Rollenbegriffe und Höflichkeitsformen. 349<br />

Das Konfliktpotential sprachlicher Barrieren wird noch in einer anderen Hinsicht deutlich.<br />

Während einerseits die Eltern Respekt und Gehorsam von ihren Kindern mit zum Teil großer<br />

Strenge und Konsequenz einforderten, erschienen sie andererseits wegen ihrer durch<br />

mangelnde Sprachkenntnisse bedingten Isolation von der Mehrheitsgesellschaft als „Kinder<br />

ihrer Kinder“ 350 , da sie bei jedem zu führenden Telefonat mit Nicht-Vietnamesen, bei jeder zu<br />

zahlenden Rechnung, bei jedem Einkauf, bei Behördengängen und Ähnlichem auf deren<br />

sprachmittlerische Hilfe angewiesen waren. 351 Dass eine solche Abhängigkeit von den<br />

eigenen Kindern in deren Augen die elterliche Autorität ins Wanken geraten lassen kann, soll<br />

nicht sonderlich verwundern. Ein vietnamesisch-stämmiger Jugendlicher in den USA<br />

beschreibt in diesem Zusammenhang das Verhältnis zu seiner Mutter folgendermaßen: „I<br />

don’t see why I should listen to her. Like, she needs me a lot more than I need her. She can’t<br />

even talk to anybody that calls on the phone. So I just do what I like. Who’s gonna tell me I<br />

can’t?” 352<br />

Doch nicht nur die sprachlichen Probleme der Eltern führten laut Literatur zu deren<br />

Autoritätsverlust innerhalb der Familie und damit zu einer Veränderung des familiären<br />

Rollengefüges. Durch die anderen Bedingungen im Migrationsland veränderten sich auch die<br />

Geschlechterrollen, was vor allem dem Selbstbild des traditionellen Familienoberhauptes<br />

Blessuren zuzufügen schien. Zwar wird einerseits beschrieben, wie Frauen, wenn sie<br />

weiterhin ausschließlich ihre ‚traditionelle’ Hausfrauenrolle ausübten, durch ihre sprachliche<br />

Isolation eine bezüglich der Außenwelt immer stärkere Abhängigkeit gegenüber ihren<br />

Kindern und dem Ehemann entwickelten. 353 Andererseits jedoch ist die Rede von der nun im<br />

Migrationsland ökonomisch notwendigen Erwerbstätigkeit der Ehefrau zusätzlich zum<br />

Ehemann, vor allem, wenn dieser arbeitslos war. 354 Die Frau machte durch ihren essentiellen<br />

Beitrag zum Familien<strong>unter</strong>halt und die im Migrationsland besseren Bildungs- und<br />

Arbeitsmöglichkeiten außerhalb des Hauses also emanzipatorische Fortschritte – dies gilt<br />

natürlich auch für die Töchter. 355 Allerdings wird auch betont, dass die vietnamesischen<br />

traditionellen Geschlechterrollen dadurch durchaus nicht obsolet wurden, was häufig in einer<br />

349<br />

Vgl. Bankston und Zhou 1998: 155, Bui Cong Tang 1996: 98, Nguyen Thi Minh Dai 1998: 169.<br />

350<br />

Bankston und Zhou 1998: 170.<br />

351<br />

Vgl. ebenda: 170, außerdem <strong>unter</strong> anderem Bui Cong Tang 1998: 43, Baumann 2000: 47.<br />

352<br />

Bankston und Zhou 1998: 170.<br />

353<br />

Vgl. Nguyen Thi Minh Dai 1998: 168.<br />

354<br />

Vgl. Bankston und Zhou 1998: 171, <strong>unter</strong> anderem noch Nguyen Thi Minh Dai 1998: 168-169.<br />

355<br />

Vgl. Bankston und Zhou 1998: 85-86, Nguyen Thi Minh Dai 1998: 168.<br />

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