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Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.

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kaum, da dies die Beschäftigung mit den Kindern erfordere, zu der die Eltern eben keine Zeit<br />

hätten:<br />

„ […] wir haben selber hier eine Kinderbetreuung und haben das sehr gut … ja… beobachten können, dass<br />

vietnamesische Eltern sich gar nicht mit Kindern beschäftigen richtig, so wie wir das kennen, dass […] die<br />

Eltern sich mit den Kindern auf die Erde setzen, mal ein Buch ankucken, was vorlesen…. Da wird `ne Kassette<br />

angemacht, da wird ein ‚Gameboy’ in die Hand gedrückt oder ein Fernseher angemacht, aber dass Eltern richtig<br />

also mit den Kindern spielen oder so, so was gibt es nicht, die versorgen nur die Kinder, also das heißt, die<br />

beaufsichtigen sie, und sie sorgen dafür, dass sie was zu essen haben. Aber […] so ein Spielen, Erziehen und so,<br />

so was gibt’s nicht… also das ist ganz … schwierig. […] die Eltern haben deswegen auch ein supergroßes<br />

Vertrauen und wollen auch, dass […] ihre Kinder möglichst lange und viel in den Kindergarten gehen.“ 514<br />

Dass Eltern nicht unbedingt nur keine Zeit haben, sondern sich auch oft keine Zeit für ihre<br />

Kinder zu „nehmen“ 515 scheinen, wie im- oder auch explizite <strong>Aus</strong>sagen sowohl der deutschen<br />

Befragten als auch einiger vietnamesischer Gesprächspartner verdeutlichen, 516 macht<br />

offensichtlich, dass die zuvor geschilderten, erschwerten Arbeits- und Lebensbedingungen der<br />

vietnamesischen Migranten in den neuen Bundesländern als alleinige Erklärung für das<br />

elterliche (Arbeits-)Verhalten nicht ausreichen. Vielleicht liegt im obigen Zitat jedoch ein<br />

Schlüssel zum besseren Verständnis dieses Verhaltens. Zu <strong>einem</strong> früheren Zeitpunkt wurde<br />

erläutert, dass scheinbar tradierte kulturelle Verhaltensmuster vor dem Hintergrund von<br />

Migration und Marginalität in der Bundesrepublik als aktuelle Problemlösungen und somit<br />

durch die veränderten Bedingungen im Migrationsland transformierte Verhaltensweisen<br />

betrachtet werden müssen. Die Voraussetzung für die Anwendung solcher Problemlösungen<br />

ist jedoch die zumindest <strong>unter</strong>bewusste Wahrnehmung eines Problems. Die Worte „so wie wir<br />

das kennen“ machen jedoch deutlich, wie sehr die oben vertretene Position die Ansichten und<br />

Bedürfnisse der deutschen Mehrheitsgesellschaft widerspiegelt. Was für ‚die Deutschen’ eine<br />

günstige kindliche Entwicklung ausmacht, was und wie Kinder lernen sollen um sich auf<br />

diese Weise zu entwickeln, welche Fähigkeiten als erstrebens- und deswegen fördernswert<br />

gelten – all diese erzieherischen und pädagogischen Fragen basieren auf einer langen<br />

Entwicklung, die sich nicht ohne die Erkenntnisse vor allem einer Sozialwissenschaft<br />

vollziehen konnte: der Psychologie. Diese Sozialwissenschaft wiederum hat sich vor dem<br />

Hintergrund von Problemen und Bedürfnissen entwickelt, von denen nicht ausgegangen<br />

werden kann, dass sie überall und in jedem Kulturkreis vergleichbar sind. In fünf der sieben<br />

514 Interview 1. Vgl. auch Interview 2.<br />

515 Interviews 1, 5.<br />

516 Vgl. Interviews 1, 2, 3, 5.<br />

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