Aus allen Quellen trinken - Gemeinsam unter einem Dach e.v.
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wird die Unbrauchbarkeit unrealistischer Konstruktionen, wie z.B. ‚Bewahrung der kulturellen Identität’ bei<br />
Migrantenkindern, die in der Bundesrepublik geboren wurden, noch deutlicher. Dieser Gedanke der<br />
‚Bewahrung’ ist ebenso falsch wie die Vorstellung, daß man seine bisher erarbeiteten und gelebten Identitäten<br />
problemlos aufgeben könnte.“ 575<br />
Um im Gegensatz zu ihren marginalisierten Eltern zu selbstbewussten und vor allem<br />
selbstverständlichen Mitgliedern der deutschen Mehrheitsgesellschaft werden zu können,<br />
müssen die Kinder vietnamesischer Migranten in Deutschland sich aus ihrem bikulturellen<br />
Erfahrungshorizont heraus nach ihren eigenen Vorstellungen definieren, die verschiedenen<br />
kulturellen Einflüsse ihren Bedürfnissen gemäß „remixen“, also ‚aus <strong>allen</strong> <strong>Quellen</strong> <strong>trinken</strong>’<br />
können. Ob sie sich nun, phasenweise oder permanent, als ‚völlig deutsch’ sehen oder darauf<br />
bestehen, sich als ‚vietnamesische’ Fußballmannschaft gegen ‚die Deutschen’ zu bewähren 576<br />
– beide Positionen verraten einen Wunsch nach Anerkennung und Akzeptanz und damit nach<br />
Integration in die hiesige Gesellschaft. Wie das eingangs zitierte Beispiel der<br />
Mädchentanzgruppe zeigt, leisten die vietnamesisch-deutschen Vereine zu dieser Integration<br />
einen bedeutenden Beitrag, indem sie sich in Angebot und Arbeitsweise stark an den<br />
Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientieren und als eine Art Brücke zwischen der<br />
relativ isolierten Community und der Mehrheitsgesellschaft fungieren.<br />
Sicherlich kommen manche Kinder und Jugendliche aufgrund verschiedener Faktoren, die<br />
neben den zuvor betrachteten wohl auch die Persönlichkeitsstruktur mit einschließen, besser<br />
mit der Herausforderung der Identitätsfindung zurecht als andere, die sich<br />
Problemlösungsstrategien aneignen, welche ihrer Entwicklung schaden. Dies ist <strong>unter</strong><br />
Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergund kaum anders. Aufgrund der<br />
unvermeidlichen Grenzen der Unterstützung von sowohl elterlicher als auch<br />
vereinstechnischer Seite jedoch, und trotz der erheblichen, durch ihren Migrationshintergrund<br />
bedingten Erschwernisse inklusive des häufig zu geringen integrativen Beitrags der deutschen<br />
Gesellschaft können die Kinder der ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter - wie ihre<br />
Altersgenossen ohne Migrationshintergrund auch – die mit dem Heranwachsen verbundenen<br />
Herausforderungen der Identitätssuche letztendlich nur eigenständig meistern:<br />
Interviewpartnerin: „Die Kinder beobachten uns, die Kinder lernen von uns, die Kinder sehen viele Dinge,<br />
die sind ja nicht dumm, ja? Zu Hause sehen sie das, in der Gesellschaft sehen sie das<br />
auch…. Sie lernen es automatisch. Genauso in der Schule…wenn sie ein Problem mit<br />
<strong>einem</strong> anderem Schüler … sie lernen mit der Zeit auch, wie sie damit umgehen….<br />
575 Kalpaka und Räthzel 1990: 48.<br />
576 Vgl. Interview 5.<br />
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