Lehr- Lernprozesse im Informatik-Anfangsunterricht
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Interpretation der Ergebnisse<br />
Die Schlussfolgerung von Ortmann und Brinda, der Entwurf eines Klassendiagramms für ein<br />
einfaches Spiel überfordere Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 12 kann nicht aufrecht<br />
erhalten werden. Die hier vorliegende Untersuchung zeigt, dass Schülerinnen und<br />
Schüler nach etwa einem halben Jahr Einführung in die Objektorientierung diese Art von<br />
Aufgabenstellungen in eigenständiger Gruppenarbeit bearbeiten und zufriedenstellend lösen<br />
können.<br />
Füller (1999) berichtet - bezogen auf das Beispiel Memory - von großen Problemen der Schülerinnen<br />
und Schüler in der elften Klasse, die „Essenz“ des Memoryspiels zu fassen und eine<br />
Klassenstruktur zu entwerfen, die nicht einfach das beobachtete Spiel abbildet: Alle (!) Schülerinnen<br />
und Schüler hätten vorgeschlagen, X-Y-Koordinaten zu verwenden, um die<br />
einzelnen Memorykarten zu identifizieren – <strong>im</strong> hier beobachteten Unterricht hat keine einzige<br />
Gruppe einen solchen Entwurf vorgeschlagen. Einen positiven Nebeneffekt hatte die <strong>im</strong> Unterricht<br />
angelegte und von den Schülerinnen und Schülern durchweg eingehaltene<br />
Reihenfolge bzw. Herangehensweise an die Erstellung des Projekts (siehe dazu Tabelle 71, S.<br />
145): Die Schülerinnen und Schüler entwerfen tatsächlich ein objektorientiertes Modell der<br />
Fachlogik. Sie trennen Modell und grafische Oberfläche, um erst in einem weiteren Schritt<br />
dem logischen Modell eine Benutzungsschnittstelle hinzuzufügen.<br />
Die Schülerinnen und Schüler haben also bezüglich ihrer Modellierkompetenz ein vergleichsweise<br />
hohes Leistungsniveau erreicht.<br />
Zur Angemessenheit von Spielen als Modellieraufgaben<br />
Dennoch bleibt die Modellierung auf den Bereich Spiele beschränkt. Spiele könnten allerdings<br />
schlechte Modellieraufgaben darstellen, da die Spielregeln und das Spielmaterial ja<br />
eindeutige Strukturen vorgeben, die nur auf die Syntax der Programmierumgebung 'abgebildet'<br />
werden müssen. Demnach würde das Modellieren von Brettspielen nur bedeuten, die<br />
Namen der Spielelemente (Spieler, Figur, Plan, Feld, etc.) zu Klassennamen zu machen. Das<br />
eigentliche Strukturieren von Informationen, das Modellieren von nicht direkt sichtbaren Zusammenhängen<br />
durch abstraktere Denkweisen würde demnach nicht vermittelt (etwa:<br />
Koordinaten durch eine Assoziation ausdrücken).<br />
Dieses ist jedoch nicht der Fall gewesen, wie auch die Beantwortung einer Klausuraufgabe<br />
durch die Schülerinnen und Schüler zeigt: Die Schülerinnen und Schüler sollten ein Würfelspiel<br />
(Verflixte Sieben) modellieren. Sie haben das getan, ohne eine Klasse Würfel zu<br />
erstellen. Stattdessen wurde der Klasse Spieler eine Methode würfeln zugeordnet, in<br />
welcher von der Bibliotheksklasse Random eine Zufallszahl erzeugt wird. Die meisten Schüler<br />
haben in einem Kommentar angemerkt, dass ihrer Meinung nach daher aus<br />
Implementationsgründen eine Klasse Würfel überflüssig sei, da die Funktionalität einer solchen<br />
Würfelklasse zu gering für eine eigene Klasse und zudem bereits in der Klasse Random<br />
<strong>im</strong>plementiert sei. Diese Art zu modellieren sowie der Versuch der Schülerinnen und Schüler<br />
die Logikschicht des Modells von der Benutzungsschnittstelle zu trennen zeigt sich sehr deutlich<br />
auch <strong>im</strong> Unterricht (vergleiche Unterrichtsprotokoll in Tabelle 73, S. 147). Die<br />
Schülerinnen und Schüler lösen sich sowohl in der Klausuraufgabe als auch <strong>im</strong> oben angesprochenen<br />
Unterrichtsausschnitt aus der Phase 3 von der direkten abbildenden<br />
Modellierung.<br />
Das bedeutet, dass Spiele als Projektaufgabe mehr als ein rein abbildendes Modellieren zulassen<br />
und die Schülerinnen und Schüler <strong>im</strong> Unterricht auch mehr gelernt haben, als nur ein<br />
vorformuliertes Modell (gewissermaßen 1-zu-1) in die UML-Notation zu übertragen.<br />
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