Lehr- Lernprozesse im Informatik-Anfangsunterricht
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<strong>Lehr</strong>- und lerntheoretischer Hintergrund<br />
hinausgehend zu einem mathematischen Modell führt. Solch ein mathematisches Modell<br />
muss nicht nur eine Formel sein, es kann auch eine Skizze, ein Plan oder Ähnliches sein. Dieses<br />
mathematische Modell wird nun bearbeitet, etwa die Lösung ausgerechnet und<br />
anschließend mit der Aufgabenstellung in Beziehung gesetzt (siehe Abbildung 21, S. 73).<br />
Von solchen Aufgaben strikt zu trennen sind so genannte eingekleidete Aufgaben, in denen in<br />
der Aufgabenstellung das mathematische Modell bereits mitgeliefert wird. Solche Aufgaben<br />
blenden den eigentlichen Mathematisierungs- bzw. Modellierungsvorgang aus oder trivialisieren<br />
ihn, indem sie den Eindruck erwecken, genau eine Modellierung sei die richtige.<br />
Sprachbezogener <strong>Anfangsunterricht</strong> führt demnach zu kalkülorientierten <strong>Lehr</strong>- und <strong>Lernprozesse</strong>n<br />
<strong>im</strong> <strong>Informatik</strong>unterricht und sollte durch Modellierungsorientierung abgelöst werden.<br />
Gegenüber dem herkömmlichen Unterrichtsmuster sollten auch <strong>im</strong> <strong>Anfangsunterricht</strong> Aufgaben<br />
gestellt werden, die unterschiedliche Lösungswege und Herangehensweisen zulassen.<br />
Man denke hier auch an die <strong>im</strong> deutschen Mathematikunterricht überwiegende Orientierung<br />
auf den einen korrekten Lösungsweg, die es <strong>im</strong> Sinne verständnisvollen Lernens zu vermeiden<br />
gilt. In diesem Zusammenhang sollen noch einmal die oben vorgestellten Ergebnisse<br />
bezüglich verschiedener Unterrichtsmuster <strong>im</strong> Mathematikunterricht in Japan und Deutschland<br />
hervorgehoben werden, wonach in Japan die Unterrichtsziele viel stärker auf Verständnis<br />
als auf die Schulung mathematischer Fähigkeiten ausgerichtet sind – mit dem Ergebnis deutlich<br />
besserer mathematischen Fähigkeiten (siehe Kap. 6.2.1, S. 69).<br />
Modellierung bezieht sich auf einen 'Problembereich' und ist damit in eine Situation eingebettet.<br />
Daher können metakognitive Aspekte und die Betrachtung des soziotechnischen Systems<br />
als integrative Bestandteile des Modellierungsvorgangs betrachtet werden. Auch die Interpretation<br />
und Validierung des mathematischen Modells erfordert eine „Rückübersetzung aus<br />
der Mathematik in die situative Einbettung“ (Klieme, Neubrand und Lüdtke 2001, S.146).<br />
Der Gesamtprozess des Modellierens ist erst beendet, wenn die Gültigkeit des Modells klar<br />
geworden ist – dazu wird ggf. der Erstellungsprozess mehrfach durchlaufen. Übertragen auf<br />
die <strong>Informatik</strong> bedeutet dieses, dass mit der Implementationsphase mehr als der Test der Korrektheit<br />
der Modellierung verbunden werden sollte. Beispielsweise könnten evolutionäre<br />
Aspekte der Softwareentwicklung angesprochen werden.<br />
Informatisches Modellieren unterscheidet sich demnach insgesamt vom mathematischen Modellieren<br />
vor allem durch die Auswahl der Modellier-Werkzeuge und möglicherweise durch<br />
vielfältigere visuelle Werkzeuge. Diese können, etwa in Form informatischer Notationen wie<br />
UML, ihren eigenen Beitrag als Lernunterstützung leisten, gerade um die vorherrschende Kalkülorientierung,<br />
bzw. <strong>im</strong> <strong>Informatik</strong>unterricht die Programmiersprachenfixierung, zu<br />
überwinden. Bezogen auf den Lernprozess <strong>im</strong> <strong>Informatik</strong>-<strong>Anfangsunterricht</strong> ergibt sich aus<br />
der Theorie situierten Lernens folgende Vermutung: Wenn man <strong>im</strong> Unterricht die situative<br />
Einbettung des Modellierens einbezieht, dann werden die Schülerinnen und Schüler weniger<br />
Schwierigkeiten haben, die Werkzeuge, Notationen, Konzepte, Begriffe und die Arbeitsweisen<br />
der objektorientierten Modellierung zu verstehen und anwenden zu können, sodass auf<br />
eine einführende Syntaxschulung und einen einführenden Kurs in Werkzeugbedienung verzichtet<br />
werden kann.<br />
6.3.2 Konzeptwechsel<br />
Die zweite Schlussfolgerung aus der Analyse der Diskussion in den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />
Fachdidaktiken betrifft den Ansatz Konzeptwechsel, mit dem die<br />
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