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Lehr- Lernprozesse im Informatik-Anfangsunterricht

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Unterrichtserfahrungen und Praxiskonzepte<br />

kommen sie schneller auf die Idee, die Schachtel mit der Heftzwecke an die Wand zu pinnen<br />

und die Kerze darauf zu stellen. Die anderen Versuchspersonen brauchen deutlich länger, um<br />

das Problem zu lösen.<br />

Im zweiten Fall, so die Erklärung des Exper<strong>im</strong>ents, wird die Schachtel mit den darin enthaltenen<br />

Materialien vor allem als Behälter wahrgenommen und so funktional gebunden. Man<br />

kommt daher nur schwer auf die Idee, sie als etwas anderes, etwa als einen Kerzenhalter, zu<br />

benutzen. Schwill schließt daraus, dass die objektorientierte Sichtweise, in der Objekte fest<br />

zugeordnete Operationen haben, dem menschlichen Denken sehr nahe steht. Diese Ähnlichkeit<br />

könnte genutzt werden, Objektorientierung <strong>im</strong> Anfangunterricht vor diesem Hintergrund<br />

der zu erwartenden Vorkenntnisse zu vermitteln: Den Schülerinnen und Schülern wäre demnach<br />

die Idee, best<strong>im</strong>mten Objekten best<strong>im</strong>mte Operationen zuzuordnen, einfach zu<br />

vermitteln – denn sie entspricht ihrer Alltagserfahrung.<br />

Es ist wichtig, diese Argumentation von der Rückrichtung zu trennen, die <strong>im</strong> Problemlöse-Paradigma<br />

vorgenommen wird. Dort wird nämlich das objektorientierte Konzept mit<br />

menschlicher Denkweise identifiziert. Die Thematisierung des Konzepts soll dann demnach<br />

Problemlösefähigkeiten trainieren. Übertragen auf obiges Beispiel wäre die Folgerung, dass<br />

die Wahrnehmung von Objekten als funktional gebunden zu trainieren wäre. Die Folgerung<br />

aus dem Exper<strong>im</strong>ent ist aber nun gerade das Gegenteil: Die Fixierung von Operationen an<br />

Objekte, die das Exper<strong>im</strong>ent nachweist, behindert die Lösungsfähigkeit. Diejenigen Personen,<br />

die die Streichholzschachtel als Behälter wahrgenommen hatten, konnten den Behälter nur<br />

schwer als Halter verwenden. Das Trainieren von Problemlösefähigkeiten müsste gerade dies<br />

Fixierung überwinden.<br />

Ähnlich wie Schwill argumentiert Quibeldy-Cirkel (1994, Kapitel 5.1) unter Verweis auf<br />

Dörner und Lompscher, dass Objektorientierung intuitiv sei (aaO. 1994, S.145). Er versucht<br />

dieses an Beispielen deutlich zu machen:<br />

• „Datenabstraktion und Vererbung versus sprachliche Kategorien<br />

Kraftfahrzeuge haben einen Motor. Ein Auto ist ein Kraftfahrzeug (generalisierte Abstraktion:<br />

KFZ ist die Oberklasse von Auto). Somit hat ein Auto auch einen Motor (abgeleitete Eigenschaft<br />

durch Vererbung).<br />

• Overloading versus Wortanalogien<br />

Wir können Gegenstände 'ziehen', eine Parallele oder einen Schlussstrich 'ziehen' oder die Aufmerksamkeit<br />

auf uns 'ziehen': Wörter können wie Operatoren in Programmiersprachen<br />

'überladen' sein.<br />

• Polymorphie versus Mehrdeutigkeit<br />

Wir können unseren Gästen stereotyp das gleiche sagen: 'Das Buffet ist eröffnet, bedient euch!'<br />

Jeder Gast wird individuell reagieren: Die 'polymorphen' Verhaltensmuster reichen vom Abstinenzler<br />

über den Gourmet bis zum Gourmand.<br />

• Datenkapselung versus Metaphern<br />

Piktogramme (=symbolische Metaphern) stehen für komplexe Objekte und Operationen.“<br />

(Quibeldey-Cirkel, 1994, S.150)<br />

Damit versucht Quibeldey-Cirkel zu zeigen, dass objektorientierte Begriffe ihre „Mystik“<br />

verlieren können (aaO.) – sie könnten <strong>im</strong> <strong>Anfangsunterricht</strong> von den Schülern intuitiv erfasst<br />

werden, woraus man sicherlich nicht direkt die Schlussfolgerung ableiten wird, die genannten<br />

Konzepte sämtlich <strong>im</strong> <strong>Anfangsunterricht</strong> zu vermitteln.<br />

Aber man kann schlussfolgern, dass – wenn man in den Bereich Programmierung, Codierung,<br />

Softwareentwicklung oder Modellierung einführen will – die Objektorientierung sich als ein<br />

intuitiver Zugang für den <strong>Anfangsunterricht</strong> anbietet. Diese Schlussfolgerung hat auch<br />

Schwill (1993) gezogen und darauf aufmerksam gemacht, dass dazu unterrichtsmethodische<br />

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