Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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16 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
se gibt es auch dergleichen Veranlassungen, die nicht so freundlich endigen,<br />
wo am Schluß die Messer blitzen und <strong>E<strong>in</strong></strong>er, schwer verwundet,<br />
zusammens<strong>in</strong>kt. Doch kommt das <strong>in</strong> jetziger Zeit wohl nicht öfter vor<br />
als im kälteren Deutschland, und s<strong>in</strong>d auch die Veranlassungen hier wie<br />
dort die gleichen: e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Rausch, die Augen e<strong>in</strong>er treulosen Schönen<br />
– e<strong>in</strong>e Eifersuchtsscene.<br />
Während unseres Aufenthalts <strong>in</strong> der spanischen Hauptstadt hatten<br />
wir selten Gelegenheit, das schöne Geschlecht von Madrid <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
vollem Glanz zu sehen. Es war ja <strong>W<strong>in</strong>ter</strong>, die meisten Bäume kahl, e<strong>in</strong><br />
heftiger W<strong>in</strong>d fegte durch den Prado, so daß e<strong>in</strong>em die nackten Marmorfiguren<br />
ordentlich leid thaten; auch ließ sich zuweilen e<strong>in</strong> leichter<br />
Schnee <strong>in</strong> den Alleen sehen, und das ist durchaus ke<strong>in</strong>e Witterung für<br />
die schönen Spanier<strong>in</strong>nen. Es ist überhaupt eigenthümlich, wie e<strong>in</strong> für<br />
unser Klima sehr gel<strong>in</strong>des Frostwetter die ganze Physiognomie von Madrid<br />
ändert. Da s<strong>in</strong>d die Straßen mit e<strong>in</strong>emmal leer, es ist, als habe der<br />
W<strong>in</strong>d die Menschen weggefegt, und was noch von ihnen zu sehen ist,<br />
eilt hastig vorüber, fest <strong>in</strong> den Mantel gewickelt, e<strong>in</strong> dickes, wollenes<br />
Tuch oder e<strong>in</strong> Pelzkragen verwahrt Mund und Nase. Alsdann liegen<br />
die Straßen öde, und vor allen D<strong>in</strong>gen könnte man glauben, Madrid habe<br />
gar ke<strong>in</strong>e Damen mehr. Nirgend die Spur e<strong>in</strong>er Mantille. Kaum aber<br />
zertheilen sich die Wolken am Himmel, hört der W<strong>in</strong>d auf, bricht die<br />
Sonne hervor, trocknet das Pflaster und erwärmt die Luft angenehm, so<br />
sche<strong>in</strong>en die Menschen förmlich aus dem Boden hervorzuwachsen, und<br />
es ist, als habe Jeder dem Andern e<strong>in</strong> Rendezvous gegeben. <strong>E<strong>in</strong></strong> paarmal<br />
hatten wir e<strong>in</strong>ige warme Tage nache<strong>in</strong>ander, und der Prado belebte sich<br />
während der Mittagszeit. Im Sommer versammelt sich hier die schöne<br />
Welt bei Sonnenuntergang, um bis e<strong>in</strong>, zwei Uhr <strong>in</strong> der Nacht plaudernd<br />
und s<strong>in</strong>gend auf- und abzuziehen. Jetzt aber lag der Prado meistens<br />
ziemlich leer und öde, nur hie und da bemerkte man e<strong>in</strong>e wenig elegante<br />
Kutsche mit e<strong>in</strong>er alten, dicken Dame und ihrem Schooßhunde, auch<br />
wohl e<strong>in</strong> paar Reiter, die erschienen, sich flüchtig umschauten und dann<br />
im schnellsten Trabe nach dem Prado de Recoletos h<strong>in</strong> verschwanden.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> eigenthümliches Fest verschaffte uns <strong>in</strong>dessen das Vergnügen,<br />
die weibliche Bevölkerung von Madrid <strong>in</strong> vollem Glanze auf der Straße<br />
und an den Fenstern zu sehen. Es war der siebenzehnte Januar, als wir<br />
KAPITEL 12. MADRID. 17<br />
uns nach dem Prado begaben, um die große Gemäldegalerie zu besuchen;<br />
doch fanden wir das Gebäude, e<strong>in</strong>es Feiertags wegen, geschlossen<br />
und schritten langsam die Alcalà wieder h<strong>in</strong>auf.<br />
In der Nähe des Palastes de Buenavista, wo sich das Kriegsm<strong>in</strong>isterium<br />
bef<strong>in</strong>det, holte uns e<strong>in</strong> Bekannter e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> spanischer Architekt,<br />
der eilig h<strong>in</strong>ter uns dre<strong>in</strong> geschritten kam. So recht! rief er uns zu, Sie<br />
s<strong>in</strong>d schon auf dem Wege nach der Puerta del Sol. Aber ich bitte, e<strong>in</strong><br />
Bischen eiliger zu gehen, die Funktion hat schon lange begonnen. Welche<br />
Funktion? fragten wir. Nun, Sie wissen doch, was heute für e<strong>in</strong> Tag<br />
ist. So viel ich mich er<strong>in</strong>nere, Dienstag. Ach, das me<strong>in</strong>e ich nicht! erwiederte<br />
lachend unser spanischer Architekt, ich wollte fragen, welcher<br />
Heilige nach dem Kalender heute se<strong>in</strong>en Tag hat. Und da er bemerkte,<br />
wie wir ihn verwundert anschauten, fuhr er fort: Heute ist ja St. Antoniustag,<br />
das e<strong>in</strong>zige Fest, welches auch den armen Thieren zu gute<br />
kommt. – Richtig, jetzt fiel es mir e<strong>in</strong>, daß ich an diesem gleichen Tage<br />
vor mehreren Jahren <strong>in</strong> Rom war und dort ebenfalls dem Feste beiwohnte,<br />
welches, wie der Spanier sagte, den armen Thieren zu gut käme. Geschw<strong>in</strong>d,<br />
mahnte der Architekt, eilen wir, die Puerta del Sol zu erreichen,<br />
und dann wollen wir von dort gegen St. Antonio h<strong>in</strong>aufsteigen.<br />
Die Puerta del Sol war heute noch belebter als an andern Festtagen.<br />
Man hat Mühe, durch die Menschenmenge zu dr<strong>in</strong>gen, welche Kopf an<br />
Kopf steht, förmlich Spalier bildet und nur die Verb<strong>in</strong>dung der Straße<br />
Mayor mit der Straße de la Montera offen läßt. Wir drängen uns <strong>in</strong> die<br />
vordern Reihen und sehen e<strong>in</strong>en Strom von Equipagen, Fußgängern, namentlich<br />
aber Reitern an uns vorüberziehen. Und Reiter, nicht im Überrock<br />
oder Wamms, wie wir sie gewöhnlich <strong>in</strong> den Straßen Madrids sehen,<br />
sondern heute im phantastischen spanischen Costüme. Es ist wie<br />
e<strong>in</strong> großartiger Maskenzug; jeder Elegant hat sich und se<strong>in</strong> Pferd bestens<br />
herausgeputzt, Kutscher und Reitknechte der vornehmen Häuser<br />
kommen <strong>in</strong> der Tracht ihres Heimathlandes, während viele der Pferde<br />
Wappendecken tragen und die bunten Bänder am Kopfzeug und Sattel<br />
die Farben der Herrschaft zeigen.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>en Augenblick hier stehen zu bleiben ist schon amüsant, doch um<br />
Alles genau und deutlich zu sehen, was nach St. Antonio h<strong>in</strong>aufzieht,<br />
müssen wir dem glänzenden, lebendigen Strome folgen und h<strong>in</strong>aufstei-