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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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30 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

glaubt man, jetzt hebe sich die Hand des Königs mit dem langen Feuerrohr<br />

zum Schuß, der verwachsene Hofzwerg gr<strong>in</strong>se uns an und der<br />

Bettler mit vorgehaltenem Hut spräche: Per l’amor de Dios . . .<br />

Im großen Mittelsaal ist Raphael außer dem Spasimo nicht besonders<br />

vertreten; se<strong>in</strong>e bedeutendsten Bilder bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der langen Mittelgallerie;<br />

so die berühmte Perle, die Jungfrau Maria, auf ihrem Schooße<br />

das Jesusk<strong>in</strong>d, zur Mutter schelmisch lächelnd h<strong>in</strong>aufblickend, wie<br />

fragend, ob es die Früchte nehmen dürfe, die ihm der kle<strong>in</strong>e Johannes<br />

darreicht; im H<strong>in</strong>tergrund sitzt die heilige Anna, das Ganze von wunderbarem<br />

Farbenschmelz.<br />

Als König Philipp der Vierte dieses Bild erhielt und zum erstenmal<br />

betrachtete, rief er aus: Es la perla de mis cuadros! woher es se<strong>in</strong>en Be<strong>in</strong>amen<br />

die Perle hat. Ob es diesen Namen mit Recht verdient, wage ich<br />

nicht zu entscheiden; wenn es aber auf mich ankäme, so würde ich mir<br />

doch e<strong>in</strong>e andere Perle <strong>in</strong> der Madrider Sammlung heraussuchen.<br />

Während unseres Aufenthalts hier fanden wir e<strong>in</strong>en geschickten Photographen,<br />

e<strong>in</strong>en Engländer Namens Clifford, der nicht nur höchst gelungene<br />

Ansichten von spanischen Gegenden geschmackvoll aufgenommen<br />

hatte, sondern auch gerade beschäftigt war, e<strong>in</strong>ige der berühmtesten<br />

Bilder der Gallerie zu photographiren. Ich erlaube mir, denselben<br />

allen Lesern, die Gelegenheit haben, von se<strong>in</strong>en wohlfeilen und schönen<br />

Blättern zu erwerben, bestens zu empfehlen.<br />

In der Nähe der Gemäldegallerie steigt man vom Prado zum oftgenannten<br />

Parke von Buen Retiro h<strong>in</strong>auf. Derselbe hat vielleicht e<strong>in</strong>en<br />

Durchmesser von e<strong>in</strong>er halben Stunde und erstreckt sich <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Stadtmauern vom Thore von Alcalà bis zum Thore von Atocha. Angelegt<br />

wurde er unter der Regierung Philipps des Vierten und damals war<br />

er mit vielen Schlössern, Kirchen, Kasernen und e<strong>in</strong>em schönen Theater<br />

e<strong>in</strong>e Art selbstständige Stadt, wor<strong>in</strong> der König se<strong>in</strong>en prachtvollen<br />

Hof hielt. Se<strong>in</strong>e Nachfolger <strong>in</strong>dessen ließen den Buen Retiro verfallen,<br />

wenigstens geschah für se<strong>in</strong>e Unterhaltung so gut wie gar nichts, oder<br />

was, wie unter Ferd<strong>in</strong>and dem Sechsten, dafür geschah, der ihn nach<br />

dem steifen Geschmack von Versailles umänderte, zerstörte nur die ehemalige<br />

Schönheit des Parkes vollkommen. Die Franzosen endlich machten<br />

e<strong>in</strong>e Citadelle aus dem Buen Retiro, von der aus sie Madrid voll-<br />

KAPITEL 12. MADRID. 31<br />

kommen beherrschten, zerstörten aber dafür auch gründlichst die Gärten<br />

und Schlösser. Obgleich nun auch nach dem Befreiungskriege sehr<br />

viel geschah, um Buen Retiro wieder e<strong>in</strong>igermaßen herzustellen, so hat<br />

man ihm doch se<strong>in</strong>e ehemalige Herrlichkeit nicht wiedergeben können;<br />

er ist e<strong>in</strong>e Gartenru<strong>in</strong>e geblieben, die aber immer noch sehr viel Schönes<br />

enthält; namentlich im südlichen Ende, der Blick auf den Manzanares<br />

h<strong>in</strong>ab, sowie gegen Nordwesten e<strong>in</strong>e wirklich schöne Aussicht auf die<br />

Stadt Madrid. Im Sommer freilich, wo die breiten Alleen dicht belaubt<br />

s<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong>e behagliche Kühlung gewähren, muß dieser Park <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

angenehmen <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit ungleich reizender se<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Nähe des<br />

überfüllten Prado. In der Mitte des Parks bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er See <strong>in</strong><br />

ausgemauertem Becken; wir erlebten bei unserem Aufenthalt, für Madrid<br />

gewiß höchst merkwürdig, daß dieser See fest zugefroren war und<br />

sich namentlich deutsche Landsleute hier mit Schlittschuhlaufen vergnügten.<br />

Dieß war e<strong>in</strong>e so seltsame und <strong>in</strong>teressante Ersche<strong>in</strong>ung für<br />

die guten Spanier, daß nicht nur e<strong>in</strong>e große Volksmenge h<strong>in</strong>auslief, um<br />

dem zuzuschauen, sondern sich auch der königliche Hof bewogen fand,<br />

dorth<strong>in</strong> zu fahren.<br />

Da aber bei Schnee und Eis weder Laub noch Blumen gedeihen und<br />

zu gewöhnlicher Zeit ke<strong>in</strong>e Spaziergänger anlocken, so fanden wir den<br />

Park leer, kahl, und sogar etwas melancholisch. <strong>E<strong>in</strong></strong> kle<strong>in</strong>er, abgeschlossener<br />

Garten im Buen Retiro, dem Hofe vorbehalten, ist mit Tempelchen,<br />

kle<strong>in</strong>en Obelisken und mehr dergleichen Spielereien verziert, hat aber<br />

etwas Heimliches, wie e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derstube, oder wie e<strong>in</strong> Garten für liebe<br />

K<strong>in</strong>der. Leider s<strong>in</strong>d dieselben alle verschwunden, die Räume liegen öde<br />

und leer und das Schnörkelwerk und Spielzeug ist e<strong>in</strong>sam zurückgeblieben.<br />

Der Theaterbesuch <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> sche<strong>in</strong>t nicht so zur Volksleidenschaft<br />

geworden zu se<strong>in</strong>, wie zum Beispiel bei den Franzosen, denn der Spanier<br />

spart lieber se<strong>in</strong>e Realen bis zum Sommer, wo er bei wöchentlich<br />

abgehaltenen Stiergefechten mehr Genuß und Befriedigung f<strong>in</strong>det; doch<br />

s<strong>in</strong>d die kle<strong>in</strong>eren Theater Madrids, namentlich wenn Ballete gegeben<br />

werden, stark besucht. In den meisten herrscht der italienische Gebrauch,<br />

daß e<strong>in</strong>e Oper oder e<strong>in</strong>e Komödie, wenn sie gefällt, so lange gegeben<br />

wird, als der Zudrang des Publikums dauert. Madrid hat neun Theater,

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