Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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136 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
noch bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Cavallerie-Abtheilung hier, doch nehmen<br />
sich die paar Pferde und die wenigen Leute <strong>in</strong> dem unermeßlichen Gebäude<br />
fast unheimlich oder komisch aus. Die letztere Wirkung machten<br />
mir zwei dieser Reiter, die auf der weiten Terrasse vor dem Schlosse<br />
saßen und s<strong>in</strong>gend die Knöpfe ihrer Uniformen putzten. Dieß ist alles<br />
Leben und aller Glanz, die übrig geblieben s<strong>in</strong>d von dem Palaste des<br />
reichsten Königs der Christenheit.<br />
Nachdem wir uns ziemlich lange <strong>in</strong> dem alten Schlosse aufgehalten,<br />
auch Baumeister Le<strong>in</strong>s nach Herzenslust gemessen und gezeichnet, traten<br />
wir wieder <strong>in</strong>s Freie und setzten uns, ehe wir wieder zur Stadt h<strong>in</strong>abstiegen,<br />
auf den Rand des Berges, wo wir e<strong>in</strong>e prächtige Aussicht <strong>in</strong><br />
das Tajothal und auf die weite Mancha hatten, um diese Aussicht zu genießen<br />
und dabei e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Kriegsrath zu halten. Da wir nach dem<br />
südlichen <strong>Spanien</strong> wollten, so hatten wir freilich von Madrid aus bis hieher<br />
den richtigen Weg e<strong>in</strong>geschlagen, fanden uns aber, was das Weiterkommen<br />
per Eilwagen anbelangte, hier auf jenem Punkte, wo die Welt<br />
so zu sagen mit Brettern vernagelt ist. Jede Spur e<strong>in</strong>er Chaussee hört bei<br />
Toledo auf, und was an Straßen und Wegen von hier weiter führt, s<strong>in</strong>d<br />
äußerst unebene Pfade für Maulthiere und Pferde, höchstens für kle<strong>in</strong>e<br />
Bauernkarren. Die große Straße von Madrid nach Sevilla lief freilich<br />
nördlich bei Toledo vorbei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entfernung von vielleicht vier Leguas<br />
und <strong>in</strong> der deutschen Heimath hätten wir im gleichen Falle nur dorth<strong>in</strong><br />
zur nächsten Station zu reisen gebraucht, um e<strong>in</strong>en Platz im nächstankommenden<br />
Hauptwagen oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beichaise zu erhalten. Letztere<br />
aber s<strong>in</strong>d für <strong>Spanien</strong> ganz unbekannte D<strong>in</strong>ge, und was den Eilwagen<br />
anbelangt, so s<strong>in</strong>d sämmtliche Plätze desselben gewöhnlich schon lange<br />
Zeit vorher <strong>in</strong> Madrid für die ganze Tour bis nach Sevilla besetzt, so daß<br />
man selbst auf den größeren Zwischenstationen, wie Baylen und Cordova,<br />
befürchten muß, wochenlang liegen zu bleiben. Das Alles hatten<br />
wir freilich <strong>in</strong> Madrid schon überlegt, hatten e<strong>in</strong>gedenk unserer höchst<br />
fatiganten Eilwagentour, nur mit stillem Grauen den Marterkasten betrachtet,<br />
der jeden Abend vor den Fenstern unseres Hôtels mit zehn bis<br />
zwölf Maulthieren bespannt wurde und Abends um zehn Uhr nach Sevilla<br />
abg<strong>in</strong>g, bis woh<strong>in</strong> er drei Tage und vier Nächte brauchen sollte,<br />
jetzt aber im <strong>W<strong>in</strong>ter</strong> oft fünf Tage und fünf Nächte unterwegs blieb.<br />
KAPITEL 15. TOLEDO. 137<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>en Ritt von Toledo nach Andalusien hatte man uns wieder eben<br />
so ernstlich abgerathen wie damals, als wir unsere Tour zu Pferde durch<br />
die Mancha machen wollten. Alle, die wir um Rath fragten, me<strong>in</strong>ten<br />
achselzuckend, im <strong>W<strong>in</strong>ter</strong> sei dieß e<strong>in</strong>e gewagte Geschichte, das Wetter<br />
kalt, Flüsse und Bäche häufig ausgetreten, die Straßen öde und leer<br />
und wenn man auch hie und da Reitern begegnete, so wäre e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>e<br />
solche Begegnung noch unlieber, als gar ke<strong>in</strong>e. Endlich fanden wir Jemanden,<br />
der uns die Sache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em besseren Licht darstellte und uns<br />
mit gutem Rath an die Hand g<strong>in</strong>g; es war dieß e<strong>in</strong> freundlicher und liebenswürdiger<br />
Landsmann, Herr Ste<strong>in</strong>feld, der uns bei dem Aufenthalte<br />
<strong>in</strong> Madrid mit Freundlichkeit jeder Art überhäufte, und <strong>in</strong> dessen gastlichem<br />
Hause wir Abends manche Partie Whist spielten, und manchen<br />
vortrefflichen Punsch tranken. Möge es ihm und se<strong>in</strong>er Gemahl<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>er<br />
liebenswürdigen Andalusier<strong>in</strong>, dafür recht wohl ergehen auf Erden!<br />
Herr Ste<strong>in</strong>feld me<strong>in</strong>te nun, für gesunde Leute, wie wir, die auch des Reitens<br />
nicht unkundig seien, wäre e<strong>in</strong>e solche Tour nach Andalusien selbst<br />
im <strong>W<strong>in</strong>ter</strong> wohl zu machen; ja, da er <strong>in</strong> nächster Zeit selbst <strong>in</strong> Sevilla Geschäfte<br />
habe, so sei er nicht abgeneigt, wenigstens mit uns den Ritt über<br />
die Felsenpässe der Sierra Morena zu machen. Die Sache war danach<br />
reiflich überlegt und besprochen worden; Herr Ste<strong>in</strong>feld und noch e<strong>in</strong>er<br />
unserer Bekannten wollte mit dem Eilwagen nach Val de Penas fahren;<br />
dort sollten wir am bestimmten Tage ebenfalls e<strong>in</strong>treffen und dann<br />
vere<strong>in</strong>t unsern Weg zu Pferde fortsetzen. Ob wir nun direkt von Toledo<br />
nach Val de Penas reiten oder nach Madrid zurückkehren und von<br />
da den Eilwagen nehmen sollten? Diese Frage beschäftigte uns, als wir<br />
kriegsräthelnd auf der Terrasse des Alcazar bei e<strong>in</strong>ander saßen. Unser<br />
Baumeister hatte sich zur Fahrt entschlossen; er that es <strong>in</strong> der edlen Absicht,<br />
uns dadurch e<strong>in</strong>en wichtigen Dienst zu leisten; denn wir mußten<br />
doch Jemanden haben, der unsere Koffer von Madrid nach Val de Penas<br />
besorgte, und so gewann er noch e<strong>in</strong>en Tag zu Besichtigung des Taller<br />
del Moro, des Cristo de la luz, der Parroquia San Roman und wie die<br />
alten Bauwesen, die er unermüdlich aufsuchte, alle hießen. Der Maler<br />
Horschelt und ich mochten uns dagegen nicht zur Eilwagentour verstehen<br />
und entschlossen uns also zu e<strong>in</strong>em neuen abenteuerlichen Ritte.<br />
Schon seit e<strong>in</strong>igen Tagen hatten wir pro und contra Eilwagen mit uns