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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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76 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Daß bei diesem Amte von Seiten des Gefolges gerade außerordentliche<br />

Andacht geherrscht hätte, will ich eben nicht behaupten, fand es<br />

auch sehr begreiflich, daß sich die Herrn Hofe nach dem anstrengenden<br />

Tagewerk aus der kalten Kirche h<strong>in</strong>weg <strong>in</strong> ihre warmen Zimmer<br />

sehnten. Wußten sie doch, daß <strong>in</strong> der ehemaligen Wohnung König Philipp’s<br />

II. für ihr Unterkommen bestens gesorgt sei; waren doch schon<br />

im Lauf des Tages große Fourgons und Küchenwagen angefahren, und<br />

hatten wir doch selbst gesehen, wie die ungeheure Klosterküche, die<br />

seit langer, langer Zeit so gespensterhaft öde gelegen, sich jetzt auf e<strong>in</strong>mal<br />

aufs Angenehmste bevölkerte. Die alten Öfen seufzten behaglich,<br />

als nun endlich ihr Inneres e<strong>in</strong>mal wieder erwärmt würde, und die Bratenwender,<br />

an denen lange Zeit die Sp<strong>in</strong>nen ungestört ihre Nester aufgehängt,<br />

schienen ohne Hülfe laufen zu wollen, als sie die vielen weißen<br />

Schürzen und Mützen erblickten, die das weite Gemach so lebendig<br />

machten.<br />

Bald verschwand denn auch aus der Kirche die Pracht und Herrlichkeit<br />

des glänzenden Zuges und bei spärlicher Beleuchtung lag der<br />

kle<strong>in</strong>e Sarg so unbedeutend unter dem gewaltigen Bogen des Kirchenschiffes.<br />

Schwarze Schatten drangen aus den Nebenkapellen und von<br />

dem hohen dunklen Chore herab, sie schienen sich ebenfalls neugierig<br />

das arme kle<strong>in</strong>e Königsk<strong>in</strong>d betrachten zu wollen, das hier nun so<br />

e<strong>in</strong>sam und verlassen lag, verlassen wenigstens von dem geräuschvollen<br />

Leben, das vorh<strong>in</strong> hier geherrscht, denn die zwei Unterstallmeister<br />

und zwei Gardes du Corps, die sich an den Ecken der Estrade befanden<br />

und abwechselnd mit ihren Kameraden hier die Nachtwache hielten,<br />

sie wurden alle Viertelstunden abgelöst, standen so still und ruhig, daß<br />

man sie ebenfalls für leblos hätte halten können. Zur offenen Kirchenthüre<br />

here<strong>in</strong> wogte der Nebel, und als ich langsam durch se<strong>in</strong>e dichten<br />

Massen <strong>in</strong>s Freie trat, bemerkte ich, daß er sich endlich tief niedergelassen<br />

hatte und daß helle Sterne am klaren Himmel freundlich bl<strong>in</strong>kten<br />

auf die riesenhaften Ste<strong>in</strong>massen des Klosters, auf den weiten, dunkeln<br />

Platz und auf das fast ausgebrannte und verglimmende Feuer <strong>in</strong> den<br />

Pechpfannen.<br />

Mit e<strong>in</strong>em tüchtigen Punsche, <strong>in</strong> dessen Anfertigung die spanischen<br />

Wirthsleute selbst der kle<strong>in</strong>eren Gasthöfe sehr erfahren s<strong>in</strong>d, suchten<br />

KAPITEL 13. ESCORIAL. 77<br />

wir die Erkältung zu vertreiben, die wir uns bei dem stundenlangen<br />

Verweilen auf dem nassen und frostigen Platze, sowie <strong>in</strong> der kalten Kirche<br />

unzweifelhaft geholt, unterhielten uns dabei noch e<strong>in</strong>e Zeitlang über<br />

das heute Gesehene, wobei <strong>E<strong>in</strong></strong>er des Anderen Gedächtniß auffrischte,<br />

und g<strong>in</strong>gen darauf zu Bette, um e<strong>in</strong>en guten Schlaf zu thun.<br />

Es war heller Morgen, als mich die Glockenklänge aufweckten; ich<br />

hatte von der gestern erlebten Ceremonie geträumt und noch heute früh<br />

beim Erwachen kam mir unsere ganze Reise wie e<strong>in</strong> Traum vor und es<br />

schien mir kaum möglich zu se<strong>in</strong>, als e<strong>in</strong>er der Reisegefährten ausrief:<br />

dort läuten schon die Glocken im Escorial. Und es war doch so. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>wohner<br />

des Städtchens, Fremde aus Madrid und das Militär der Escorte<br />

strömte bereits nach der Kirche, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong> feierliches Seelenamt abgehalten<br />

wurde, welches der Erzbischof von Seleucia celebrirte unter Assistenz<br />

der Prälaten von La Granja, San Ildefonso und der Kaplane der<br />

vere<strong>in</strong>igten königlichen Kapellen. Die Sänger der Kapelle von Madrid<br />

sangen hierzu unter Musik und Orgelbegleitung. Um den Katafalk waren<br />

Sitze errichtet, auf denen sich das Gefolge befand, die Offiziere der<br />

Truppen und das Ayuntamiento von Escorial.<br />

Es war uns gestern wegen der Vorbereitungen zum Empfang der verstorbenen<br />

Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> nicht erlaubt worden, <strong>in</strong> die königliche Gruft h<strong>in</strong>abzusteigen,<br />

– gewiß der schönste und merkwürdigste Raum des ganzen<br />

Klosters. Die Idee hiezu sche<strong>in</strong>t Philipp II. den alten Pharaonen entnommen<br />

zu haben, denn wie diese über ihre prächtigen Grabkammern<br />

die colossalen Pyramiden auftürmten, so hatte auch der spanische König<br />

gewiß die gleiche Absicht, als er unter die gewaltige Felsenburg jene<br />

prächtige Rotunde baute, <strong>in</strong> der se<strong>in</strong> königlicher Leib e<strong>in</strong>st ruhen sollte.<br />

Das vergoldete Gitter wurde uns von e<strong>in</strong>em Geistlichen geöffnet, und<br />

als wir die ersten Stufen zu dieser düstern Todtenpracht h<strong>in</strong>abstiegen,<br />

kam mir lebhaft der <strong>E<strong>in</strong></strong>gang zur Pyramide des Cheops <strong>in</strong>s Gedächtniß;<br />

auch dort führt e<strong>in</strong> schmaler, mit geschliffenen Ste<strong>in</strong>en bedeckter<br />

Gang steil <strong>in</strong> das königliche Grab h<strong>in</strong>ab, freilich ohne Treppen, während<br />

man hier auf Stufen von Marmor niedersteigt. Die Wände und das gewölbte<br />

Dach hier ist von edlen Marmorarten und Jaspis, alles so blank<br />

geschliffen, daß sich die Flamme der Wachsfackel, welche uns leuchtete,<br />

auf allen Seiten blendend abspiegelte. Auf e<strong>in</strong>er Ruhebank der Treppe

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