Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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354 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
den Fächern und herrlichen Trachten, die uns allenthalben begegnen,<br />
plötzlich zu uns nach Deutschland versetzt, freilich schon für e<strong>in</strong>en ganz<br />
prächtigen Carneval gelten können; aber etwas Außergewöhnliches geschah<br />
hier durchaus nicht. Ob es überhaupt bei den Spaniern nicht Sitte<br />
ist, sich zu maskiren und Larven zu tragen, weiß ich nicht, wenigstens<br />
sah ich nicht dergleichen; nicht e<strong>in</strong>mal an irgend e<strong>in</strong>em Laden blühende<br />
und <strong>in</strong> beständigem Erstaunen begriffene Maskengesichter, oder auch<br />
nur falsche Nasen mit großen Schnurrbärten; ja nicht e<strong>in</strong>mal die Jugend<br />
schien zu wissen, was Carneval ist, denn <strong>in</strong> den Straßen von Sevilla<br />
sieht man zu dieser Zeit selbst nicht e<strong>in</strong>mal die Spur von ausgelassenen<br />
Buben, wie sie bei uns ihr Wesen treiben, <strong>in</strong> weißen Hemden, mit<br />
geschwärzten Gesichtern oder vergoldeten Nasen. Im Haupttheater <strong>in</strong><br />
der Straße de la Muela war es allerd<strong>in</strong>gs während der Carnevalsabende<br />
außerordentlich voll, und das Volk erfreute sich an den ausgelassenen<br />
Possen, die hier gegeben wurden, für uns aber wenig Interesse boten.<br />
Besonders beliebt bei den Sevillanern schienen Schilderungen aus dem<br />
Negerleben zu se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Art Vaudevilles mit Ballet, wo eigenthümlich<br />
unharmonische, oder wie es hieß, Orig<strong>in</strong>allieder der Schwarzen vorgetragen<br />
wurden, und mit Tänzen abwechselten, die man allenfalls nur<br />
von Spanier<strong>in</strong>nen sehen konnte, denn wenn sie sich auch die allergrößte<br />
Mühe gaben, schwerfällig und steif umherzuhüpfen, wie wahns<strong>in</strong>nig<br />
gewordene Frösche, so schimmerte doch immer noch etwas durch<br />
von den ihnen angebornen eleganten Körperformen und Bewegungen.<br />
Im Theater de la Campana, wo mitunter recht gute Lustspiele gegeben<br />
werden, g<strong>in</strong>g es auch nicht ohne sehr starke Possen ab; nur war hier das<br />
Ballet vortrefflich und gab zum Schluß so große und schöne Portionen,<br />
daß man sich schon für die Anfangs ausgestandene Langeweile entschädigen<br />
konnte.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> deutscher Landsmann, dessen Bekanntschaft wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der<br />
hiesigen Theater machten, veranlaßte uns e<strong>in</strong>es Abends nach beendigter<br />
Vorstellung, mit ihm e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Tanzunterhaltung zu besuchen, deren<br />
verschiedene um diese Zeit hier veranstaltet werden, und die auch im<br />
Innern der Häuser das <strong>E<strong>in</strong></strong>zige s<strong>in</strong>d, was an den Carneval er<strong>in</strong>nert. Wir<br />
besuchten nach e<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong> Paar dieser Lokale, ohne aber hier gerade<br />
viel Interessantes zu sehen. Man könnte diese Bälle mit den Parisern<br />
KAPITEL 20. SEVILLA. 355<br />
<strong>in</strong> der Salle Valent<strong>in</strong>o vergleichen. Wie dort, s<strong>in</strong>d es auch hier große<br />
Räumlichkeiten, nur nicht so elegant, wie die Pariser Etablissements,<br />
spärlicher beleuchtet, und vor Allem fehlt hier <strong>in</strong> Sevilla die prächtige<br />
Musik Musard’s. Der Spanier ist schon zufrieden mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />
Orchester aus e<strong>in</strong> Paar Viol<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong>er Klar<strong>in</strong>ette und e<strong>in</strong>em Contrebasse<br />
bestehend, und dies fehlte sogar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dieser Lokale, wo denn jeder<br />
Saal se<strong>in</strong>e besondere und sehr bescheidene Musik hatte, zwei Guitarren<br />
nämlich, die von den Tänzern abwechselnd gespielt wurden, wozu<br />
aber e<strong>in</strong> Dutzend toller Andalusier<strong>in</strong>nen im Majakostüm e<strong>in</strong>en tüchtigen<br />
Lärm mit ihren Castagnetten machten. Am <strong>E<strong>in</strong></strong>gang dieser Säle wird<br />
e<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>igkeit bezahlt, und wie <strong>in</strong> Paris an den gleichen Orten f<strong>in</strong>den<br />
sich auch hier junge Leute aller Stände, namentlich aber Studenten mit<br />
ihren Mädchen e<strong>in</strong>, um die Nacht zu durchtanzen.<br />
Um aber e<strong>in</strong>e solche allgeme<strong>in</strong>e Carnevals-Tertulla <strong>in</strong> ihrer Blüthe zu<br />
sehen, ließen wir uns nach der Vorstadt Triana führen, welche gegenüber<br />
der alten Torre del oro liegt, und deren Bewohner hier ungefähr<br />
<strong>in</strong> demselben Rufe stehen, wie die von Trastevere bei Rom. Obgleich<br />
sich dort bei diesen Tanzvergnügungen e<strong>in</strong>e sehr ausgewählte Gesellschaft<br />
vere<strong>in</strong>igt, Maulthiertreiber, Contrebandisten, und Leute, die oft<br />
e<strong>in</strong> noch viel schlimmeres Handwerk treiben, so ist man ja <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong><br />
und der Fremde, den die Neugier treibt, e<strong>in</strong>er solchen Versammlung<br />
beizuwohnen, wird anständig und freundlich behandelt, natürlicherweise,<br />
so lange er es unterläßt, sich unerlaubte Freiheiten herauszunehmen.<br />
Das Haus, zu welchem wir uns begaben, lag zwischen Gärten,<br />
etwas entfernt von den andern Gebäuden, und erwies sich beim Näherkommen<br />
als e<strong>in</strong>e Posada, wie ich sie schon häufig beschrieben, mit e<strong>in</strong>er<br />
großen Halle, welche zu gleicher Zeit Wohnzimmer und Küche war.<br />
Schon von Weitem hatten wir durch die vergitterten Fenster Lichtschimmer<br />
bemerkt, zuweilen wurde das Thor geöffnet, und dann drang die<br />
Helle auf Augenblicke <strong>in</strong> den Garten h<strong>in</strong>aus. Dieser war aber umzäunt<br />
und verschlossen, und wurde erst auf mehrmaliges Anklopfen geöffnet,<br />
und nachdem unser Begleiter e<strong>in</strong> paar Worte zu dem Manne gesagt,<br />
der durch den Garten gegen uns her kam. Als wir näher g<strong>in</strong>gen hörten<br />
wir auf e<strong>in</strong>mal Guitarrenklänge und das taktmäßige Knattern der Castanuelos,<br />
und als sich endlich die Hausthüre vor uns öffnete und wir